Chamäleon-Proteine machen einzelne Zellen sichtbar

Wissenschaftler entdeckten einen neuen Mechanismus, mit dem ein fluoreszierendes Protein seine Farbe ?ndern kann. Damit k?nnen sie in lebenden Organismen individuelle Zellen in ihrem dreidimensionalen Umfeld mikroskopisch sichtbar machen.

Vergr?sserte Ansicht: Motorische Nervenzellen im Rückenmark einer lebenden Zebrafisch-Larve
Motorische Nervenzellen im Rückenmark einer lebenden Zebrafisch-Larve. Eine Zelle mit ihrem Zellk?rper und ihren Forts?tzen ist in Magenta und Weiss hervorgehoben. (Mikroskopiebild: Dempsey et al. Nature Methods 2015)

Forschende am Departement Biosysteme der ETH Zürich in Basel entwickelten eine Mikroskopie-Methode, die es erstmals erm?glicht, in lebenden Organismen individuelle Zellen innerhalb einer komplexen, dreidimensionalen Zellstruktur sichtbar zu machen. Damit gelang es den Wissenschaftlern, spektakul?re Mikroskopiebilder vom Nervensystem eines lebenden Zebrafisches zu machen, des ?Modellfisches? der Wissenschaft. Auf den Bildern der ETH-Wissenschaftler sind motorische Nervenzellen im Rückenmark der Zebrafische zu sehen. Eine einzelne Nervenzelle mitsamt aller ihrer Zellforts?tze ist dabei in einer anderen Farbe hervorgehoben.

Am Anfang der Anwendung stand eine Beobachtung von William Dempsey, Postdoc in der Gruppe von ETH-Professor Periklis Pantazis. Er arbeitete mit einer speziellen Klasse von fluoreszierenden (leuchtenden) Proteinen (siehe Kasten). Die Proteine, die er untersuchte, sind insofern speziell, als dass sie ihre Farbe ?ndern, wenn sie mit Laser-Licht einer bestimmten Wellenl?nge bestrahlt werden. Dendra 2 heisst eines dieser ?Cham?leon-Proteine?. Bestrahlen es die Wissenschaftler mit blauem Licht, leuchtet es grün. Regt man es hingegen mit intensiven violettem oder ultraviolettem Licht an, so wechselt es seine Farbe nach Rot.

Kombination zweier Laser

Was Dempsey und Pantazis entdeckten: Bestrahlt man Dendra 2 gleichzeitig mit blauen und rotem Licht, so ?ndert das Protein ebenfalls seine Farbe nach Rot. Für diese Kombinationsbestrahlung reicht eine  geringe Lichtintensit?t aus, Zellen werden damit – anders als bei sehr intensiver violetter oder ultravioletter Bestrahlung – nicht gesch?digt.

ETH-Professor Pantazis und seine Kollegen hatten in der Folge eine Idee, wie man diese Kombinationsbestrahlung in der Lichtmikroskopie nutzen kann. Fluoreszierende Proteine kommen dort zum Einsatz, um ganze Zellen, pr?zise Zellstrukturen oder einzelne Moleküle sichtbar zu machen. Die Entdeckung der ETH-Forscher erm?glicht es nun erstmals in einem lebenden Organismus, eine an einem gewünschten Ort liegende Zelle oder Moleküle farblich hervorzuheben, und gleichzeitig mit einer anderen Farbe die Gesamtheit der Zellen beziehungsweise Moleküle sichtbar zu machen.

Fokussierung auf einen Punkt

Vergr?sserte Ansicht: Farbfilter
Ein Farbfilter teilt das Laser-Licht in zwei Teilstrahlen unterschiedlicher Farbe, die sich in einem Brennpunkt überlagern. (Schema: Patrick Helbling / ETH Zürich)

Der Plan der Wissenschaftler: Zwei verschiedene Laserstrahlen k?nnen – einzeln verwendet – die Farbe eines Cham?leon-Proteins nicht ?ndern. Kombiniert man die beiden Strahlen aber und ordnet sie so an, dass sie an einem bestimmten Punkt des Untersuchungsobjekts aufeinandertreffen, dann ver?ndern die dort liegenden Proteine ihre Farbe. Die nicht mit beiden Lasern gleichzeitig aktivierten Proteine hingegen behalten ihre ursprüngliche F?rbung.

Die Forschenden entwickelten dazu einen einfachen und kostengünstigen Farbfilter. Er kann mit herk?mmlichen Konfokal-Laser-Mikroskopen verwendet werden, wie es sie in vielen biomedizinischen Forschungseinrichtungen gibt. Zwischen Laserquelle und Untersuchungsobjekt montiert, teilt der Filter das Laser-Licht in blaue und rote Teil-Strahlen, die sich auf einen winzigen Brennpunkt im Untersuchungsobjekt fokussieren.

Bewegte Prozesse untersuchen

Im Fall des Zebrafisches, der durchsichtig ist und sich daher besonders gut für die Mikroskopie eignet,  markierten die ETH-Wissenschaftler dessen Nervenzellen mit Dendra 2. Anschliessend richteten sie den Brennpunkt des kombinierten Laserstrahls auf den Zellk?rper einer einzelnen Nervenzelle im lebenden, an?sthesierten Zebrafisch. Die dortigen Dendra-2-Moleküle wurden rot, verbreiteten sich in der ganzen Zelle und f?rbten auch die Forts?tze dieser einen Zelle. Alle anderen Zellen – insbesondere jene in der unmittelbaren Umgebung – blieben hingegen grün.

Einzelne Nervenzellen sichtbar machen zu k?nnen, sei beispielsweise für die pr?zise Kartierung des Gehirns von grosser Bedeutung, erkl?rt Pantazis. Weil sich die neue Technik für einzelne Zellen in lebenden Organismen eignet, k?nne man damit auch dynamische Prozesse untersuchen, zum Beispiel den Einfluss von pharmazeutischen Wirkstoffen auf  Zellen oder Moleküle. Oder man k?nne damit die Embryonalentwicklung detaillierter untersuchen. ?Unsere Methode erm?glicht dreidimensionale Analysen auf eine elegante Art?, so der ETH-Professor. ?Und sie ist ein sch?nes Beispiel, wie man mit einem Resultat aus der Grundlagenforschung eine L?sung für ein technisch anspruchsvolles Problem finden kann.? Pantazis hofft, dass die Technik in Zukunft in der biomedizinischen Forschung breit angewendet wird. Dazu ist er im Gespr?ch mit Mikroskop-Herstellern.

Fluoreszierende Proteine

Fluoreszierende Proteine sind aus der biomedizinischen Forschung nicht mehr wegzudenken: Wann immer ein Wissenschaftler eine Zellstruktur oder ein bestimmtes Molekül unter dem Mikroskop sichtbar machen m?chte, f?rbt er die Zellstruktur oder das Molekül spezifisch mit einem solchen Protein ein. In der Natur kommen diese Proteine in bestimmten Quallen und Korallen vor. Mittlerweile haben Forschende eine ganze Farbpalette von synthetischen fluoreszierenden Proteinen geschaffen. Diese leuchten grün, orange, blau, rot oder gelb. Damit k?nnen auch unterschiedliche Zellstrukturen gleichzeitig sichtbar gemacht werden. Es gibt ausserdem Proteine, die erst leuchten, wenn man sie mit Licht einer bestimmen Wellenl?nge bescheint. Wiederum andere wechseln bei Bestrahlung mit bestimmtem Licht ihre Farbe.

Literaturhinweis

Dempsey WP, Georgieva L, Helbling PM, Sonay AY, Truong TV, Haffner M, Pantazis P: In vivo single cell labeling by confined primed conversion, Nature Methods, 18. Mai 2015, doi: externe Seite 10.1038/nmeth.3405

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