Ein Klimaextrem kommt selten allein

Um das Risiko gleichzeitiger Extremereignisse wie Hitze und Dürre zuverl?ssig abzusch?tzen, müssen verschiedene Forschungszweige enger zusammenarbeiten, fordert Jakob Zscheischler.

Jakob Zscheischler

Der ausgehende Hitzesommer führt uns eindrücklich vor Augen, was uns klimatisch künftig erwarten k?nnte. In der Ostschweiz regnete es zwischen April und August dieses Jahres so wenig wie noch nie seit Messbeginn1. Gleichzeitig herrschten sehr hohe Temperaturen.

In Kombination wirken sich Trockenheit und Hitze potenziell verheerend aus. Oft kommt es zu Waldbr?nden, wie dieses Jahr in Griechenland und Schweden. Getreide leidet unter hohen Temperaturen gepaart mit Wassermangel und muss oft geerntet werden, bevor die K?rner ausgereift sin. Niedrige Wasserst?nde und hohe Wassertemperaturen lassen Fische sterben und erschweren das Kühlen von Kraftwerken. Aber nicht nur Dürre und Hitze, auch andere Arten von kombinierten Wetterereignissen (sogenannte ?compound events?) k?nnen zu grossen Sch?den führen: Wenn etwa in Küstenregionen Sturmfluten und Starkniederschl?ge zusammenfallen, steigt das Flutrisiko drastisch.

Striktes Feuerverbot im Freien prägte auch dieses Jahr den Schweizer Sommer, der überaus trocken und auch heiss war.
Striktes Feuerverbot im Freien pr?gte auch dieses Jahr den Schweizer Sommer, der überaus trocken und auch heiss war. (Bild: Keystone/Anthony Anex)

Kombination h?ufiger als gedacht

Die genannten Beispiele m?gen für Laien zun?chst banal klingen. Doch die Risiken von solch kombinierten Wetterereignissen wurden in der Wissenschaft lange untersch?tzt oder schlicht ignoriert. Ich sehe verschiedene Gründe dafür: Zum einen liegt das daran, dass die Einzelereignisse oft st?rker miteinander zusammenh?ngen als gemeinhin angenommen. Wollte man früher das Risiko einer kombinierten Dürre und Hitzewelle absch?tzen, betrachtete man die einzelnen Ereignisse losgel?st voneinander und multiplizierte die jeweiligen Wahrscheinlichkeiten miteinander. Sind die Ereignisse jedoch korreliert, untersch?tzt dieser Ansatz das Risiko eines gemeinsamen Auftretens.

Ein weiterer Grund für die lange untersch?tzte Relevanz kombinierter Wetterereignisse sind meiner Meinung nach die stark zergliederten Wissenschaftszweige. So gibt es Experten für Dürren, Hitzewellen, Fluten oder Stürme, die sich oft nur begrenzt austauschen.

Auch eine Frage der Lage

Erschwerend kommt hinzu, dass Klimaereignisse je nach geografischer Beschaffenheit verschieden stark korreliert sein k?nnen. So treten Extremniederschl?ge und Starkwinde vor allem in Küstenregionen geh?uft zusammen auf2. Weil solche Ereignisse zudem ziemlich selten sind, ist es selbst für Experten überaus schwierig, die Korrelationen überhaupt zu entdecken, geschweige denn zu quantifizieren. Neue Methoden aus der Extremwertstatistik helfen hier weiter und haben bereits zu einer Reihe neuer Erkenntnisse über die Abh?ngigkeiten von extremen Wetterereignissen geführt.

?Die Frage, welche korrelierten Klimaph?nomene besonders sch?dlich sind, k?nnen reine Klimaforschende oft nur bedingt beantworten.?Jakob Zscheischler

Doch nicht alle korrelierten Klimaph?nomene sind sch?dlich. Es gilt also herauszufinden, welche Kombination von Klimaereignissen sich besonders negativ auswirken. Diese Frage k?nnen reine Klimaforschende oft nur bedingt beantworten. Dafür ben?tigt es auch die Expertise von Fachleuten, die sich zum Beispiel mit Klimafolgen auf Natur und Gesellschaft besch?ftigen.

Als zus?tzlicher Komplikationsfaktor kommt der Klimawandel ins Spiel. Er beeinflusst nicht nur die Einzelereignisse, sondern auch die Beziehung zwischen ihnen. So haben wir letztes Jahr gezeigt, dass Dürre und Hitze in Zukunft in vielen Regionen der Welt noch h?ufiger gleichzeitig auftreten werden als das bisher der Fall ist3 (siehe auch ETH-News).

Risikoabsch?tzung neu angehen

Und was bedeutet das für die Klimawissenschaft? In einer kürzlich publizierten Perspective4 fordern wir einen disziplinübergreifenden bottom-up-Ansatz, um kombinierte Klimaereignisse in einem sich wandelnden Klima zu studieren. Gefragt sind also in erster Linie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich über die Fachgrenze hinweg austauschen5. Denn: Um relevante kombinierte Ereignisse global zu identifizieren und zu analysieren, brauchen wir eine enge Zusammenarbeit zwischen Klimaforschenden, Fachleuten für die Folgenabsch?tzung, Ingenieurinnen und Statistikern, aber auch einen engen Austausch mit der Industrie und lokalen Entscheidungstr?gern.  

Referenzen

1 MeteoSchweiz-Blog vom 20. August 2018: ?externe Seite Jahrhundert-Regenmangel?
2 Martius O, Pfah Sl, and Chevalier C (2016), A global quantification of compound precipitation and wind extremes, Geophysical Research Letters 43, 7709–7717, doi: externe Seite 10.1002/2016GL070017.
3 Zscheischler J and Seneviratne S (2017). Dependence of drivers affects risk associated with compound events. Science Advances 3(6), e1700263.
4 Zscheischler J, et al (2018). Future climate risk from compound events. Nature Climate Change 8, 469-477, doi: externe Seite 10.1038/s41558-018-0156-3.
5 European Coooperation in Science and Technology: externe Seite COST Action DAMOCLES ?Understanding and modeling compound climate and weather events?

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