Erbkrankheit mittels Genkorrektur geheilt

Ein Forschungsteam der ETH Zürich und des Kinderspitals Zürich hat ein neu entwickeltes Korrekturwerkzeug angewandt, um Gen-Mutationen gezielt zu korrigieren. Damit heilten die Wissenschaftler M?use, die an einer vererbbaren Stoffwechselkrankheit litten, die auch Menschen betrifft.

Forscher entwickelten basierend auf der Crispr-Cas-Methode ein Werkzeug, um schadhafte Gene gezielt zu korrigieren. (Symbolbild: Colourbox)
Forscher entwickelten basierend auf der Crispr-Cas-Methode ein Werkzeug, um schadhafte Gene gezielt zu korrigieren. (Symbolbild: Colourbox)

Die Stoffwechselkrankheit Phenylketonurie dürfte frischgebackenen Eltern ein Begriff sein: In der Schweiz wird jedes neugeborene Kind auf diese Erbkrankheit getestet. Ist es davon betroffen, muss es mit einer speziellen Di?t ern?hrt werden, damit sich die Aminos?ure Phenylalanin aus der Nahrung nicht im K?rper anreichern kann. Ein ?bermass an Phenylalanin verz?gert die geistige und motorische Entwicklung. In schlimmen F?llen erleiden Betroffene massive geistige Behinderungen.

Die Ursache für die Stoffwechselst?rung ist eine Mutation auf dem Gen, das den Bauplan für das Enzym namens Phenylalanin-Hydroxylase (PAH) darstellt. Dieses Enzym, welches von Leberzellen hergestellt wird, baut Phenylalanin um. Die Krankheit ist sogenannt autosomal rezessiv: Das Kind erkrankt dann, wenn es von der Mutter und vom Vater je ein mutiertes Gen vererbt bekommen hat. Heilbar ist diese Krankheit bisher nicht.

Erweiterung des Crispr/Cas9-Systems

Ein Forschungsteam um ETH-Professor Gerald Schwank hat nun aber eine Methode zunutze gemacht, um beide mutierten Gene in Leberzellen zu korrigieren und damit die Krankheit zu heilen. Zumindest in M?usen ist dies gelungen. Die Ergebnisse sind soeben in der Fachzeitschrift ?externe Seite Nature Medicine? erschienen.

Mithilfe eines um ein Enzym erweitertes Crispr/Cas9-Systems ?nderten die Forschenden in erwachsenen M?usen gezielt die Abfolge der DNA-Bausteine des entsprechenden Gens. Infolgedessen konnten die Leberzellen wieder funktionierende PAH-Enzyme herstellen. Die M?use waren geheilt.

Im Detail: Der um eine sogenannte Cytidin-Deaminase erweiterte Crispr/Cas9-Komplex bindet an die zu korrigierende Stelle des Gens und ?ffnet lokal die beiden Str?nge der DNA. Die Deaminase wandelt das krankheitsverursachende DNA-Basenpaar C-G in das in gesunden Individuen vorkommende Basenpaar T-A um. Der Fehler in der DNA-Bausteinabfolge wird so korrigiert.

Bei der klassischen Crispr/Cas-Editierung ist die Induktion eines Bruchs des DNA-Doppelstrangs das zentrale Element für die Genkorrektur. An einer definierten Stelle wird der Doppelstrang zerschnitten, und die Zelle versucht den Schnitt mittels verschiedener Mechanismen zu reparieren. Falls der Zelle eine passende DNA-Sequenz von aussen zugefügt wird, erlaubt es ein spezieller Reparaturmechanismus eine Gensequenz gezielt zu ver?ndern.

Das Problem dabei ist, dass die meisten menschlichen Zellen haupts?chlich andere Mechanismen verwenden, welche zus?tzliche ungezielte Mutationen erzeugen.

Schonendes Genediting

Die Forscher konnten feststellen, dass das neue Gen-Editierwerkzeug sehr viel effizienter ist als die klassische Crispr/Cas9-Methode: Bis zu 60 Prozent aller fehlerhaften Genkopien in der M?useleber wurden korrigiert. Dies führte dazu, dass die Phenylalanin-Konzentration auf die Normalwerte sank, und Tiere nach der Behandlung mit dem Gen-Editierwerkzeug keine Krankheitsanzeichen mehr zeigten.

Um den genetischen Code für das neue Korrekturwerkzeug in die Leberzellen zu transferieren, bauten die Forscher die dazu n?tigen Gene in Adeno-assoziierte Viren ein und spritzten diese den M?usen ins Blut. Das Virus infizierte darauf die Leberzellen und schleuste dabei die Gene für das Editierwerkzeug in die Leberzelle.

Hohes Anwendungspotenzial

?Dieser Ansatz hat ein hohes Potenzial für Anwendungen im Menschen?, sagt Gerald Schwank. Allerdings sei die vorliegende Studie erst ein Machbarkeitsbeweis. Klinische Studien müssten folgen, um die Wirksamkeit des neuen Gen-Editierwerkzeugs in anderen Tieren und dereinst auch im Menschen zu prüfen.

Bisherige Methoden der Gen-Editierung waren nur m?ssig erfolgreich darin, Mutationen direkt in Tieren gezielt zu korrigieren. In der Leber von erwachsenen M?usen lag die Korrekturrate bislang bei wenigen Prozent, erkl?rt Schwank. ?Wir haben hier ein Vielfaches erreicht – das hat bisher noch niemand geschafft.?

Risiken h?lt Schwank für gering. Die Forscher haben im Mausmodell nach Anwendung des Editierwerkzeugs nach ungezielten Mutationen gesucht, also solche an Stellen, wo keine sein sollten. Fündig wurden sie nicht. In einer Folgestudie m?chte er diese Frage nun noch eingehender untersuchen. ?Die menschliche Leber besteht aus mehreren Milliarden Zellen. Keine davon darf nach der Editierung Mutationen aufweisen, die zu Tumoren führen?, betont Schwank. Man müsse auch untersuchen, ob das Adeno-assoziierte Virus, welches die Forscher als Transportvehikel für die Editierwerkzeug-Gene einsetzen, unerwünschte Effekte verursache.

Weitere Stoffwechselkrankheiten im Fokus

?Der Einsatz eines Basen-Editors war der Schlüssel zum Erfolg?, freut sich auch Schwanks Doktorand und Studien-Erstautor Lukas Villiger. Diese wurden am Massachussetts Institute of Technology (MIT) entwickelt und erst vor zwei Jahren in einer Fachpublikation vorgestellt. Zuvor arbeiteten die ETH-Forscher mit klassischen Crispr/Cas-Ans?tzen. Nach 2016 nutzten Schwank und Villiger die Technik der US-Forschenden. ?Der Weg war trotz den neuen Basen-Editoren nicht gradlinig, wir mussten ziemlich viel herumtüfteln?, sagt Villiger. Die gr?sste ?berraschung sei gewesen, dass dieses System so viel effizienter sei als die klassische Crispr/Cas-Werkzeugkiste.

Die Phenylketonurie ist nicht die einzige erbliche Stoffwechselerkrankung der Leber. Genetisch bedingte St?rungen des Harnstoffwechsels führen zum Beispiel dazu, dass der K?rper Ammonium als Abfallprodukt aus stickstoffhaltigen Nahrungsmitteln nicht aus dem Blut entfernen und zu Harnstoff abbauen kann. Dies führt vor allem zu St?rungen im Zentralnervensystem. Die einzige derzeitig verfügbare M?glichkeit zur Heilung ist eine Lebertransplantation. Schwank m?chte deshalb das neu entwickelte Gen-Editierwerkzeug auch bei solchen Erbkrankheiten testen.

Literaturhinweis

Villiger L, Grisch-Chan HM, Lindsay H, Ringnalda F, Pogliano CB, Allegri G, Fingerhut R, H?berle J, Matos J, Robinson MD, Th?ny B, Schwank G. Treatment of a metabolic liver disease by in vivo genome base editing in adult mice. Nature Medicine 2018, Oct 8th. doi externe Seite 10.1038/s41591-018-0209-1

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert