Mehr als die H?lfte der kleinen Gletscher verloren
Zu diesem und weiteren Schlüssen kommt ein internationales Team von Forschenden unter der Leitung der ETH Zürich, der Forschungsanstalt WSL und der Vrije Universiteit Brussel in einer neuen Studie. Diese berechnet erstmals weltweit, wie viele Gletscher bis Ende des Jahrhunderts übrigbleiben dürften – und wie lange noch. ?Zum ersten Mal haben wir Jahreszahlen dafür angegeben, wann jeder einzelne Gletscher auf der Erde verschwinden dürfte?, sagt Lander Van Tricht, Hauptautor der Studie, die am 15. Dezember 2025 in der Zeitschrift Nature Climate Change erschienen ist.
Anders als frühere Arbeiten, die vor allem die Massen- und Fl?chenverluste des weltweiten Gletscherschwunds untersuchten, richtet sich der Blick der ETH-Forschenden neu auf die Anzahl Gletscher, die pro Jahr verschwinden, sowie auf die Region und den Zeitrahmen ihres Verschwindens. Ihre Ergebnisse zeigen: Besonders betroffen sind Regionen mit vielen kleinen Gletschern, die in tieferen H?henlagen oder nahe beim ?quator liegen – etwa die Alpen, der Kaukasus, die Rocky Mountains, die Anden sowie afrikanische Gebirge in niederen Breitengraden.
?In diesen Regionen werden in den n?chsten zehn bis zwanzig Jahren voraussichtlich mehr als die H?lfte aller Gletscher verschwinden?, sagt Lander Van Tricht, der als Forscher an der Professur für Glaziologie der ETH Zürich und der Forschungsanstalt WSL arbeitet.
Wie viele Gletscher in den Alpen überleben?
Das Tempo des Gletscherschwunds h?ngt vom Ausmass der Erderw?rmung ab. Aus diesem Grund haben die Forschenden den Gletscherrückgang mit drei verschiedenen, topmodernen globalen Gletschermodellen und mehreren Klimaszenarien durchgerechnet. Für die Alpen kommen sie zum Ergebnis, dass bei +1,5° C-Erw?rmung bis 2100 noch zw?lf Prozent der Gletscher übrigbleiben (rund 430 von ca. 3000); bei +2° C überleben rund 8 Prozent oder ca. 270 Gletscher – und bei +4° C verbleiben eben nur ein Prozent oder 20 Gletscher.
Zum Vergleich: In den nordamerikanischen Rocky Mountains überstünden im 1,5-Grad-Szenario noch rund 4’400 Gletscher bis 2100 – das w?ren 25?Prozent der heute rund 18’000 Gletscher. Bei +4° C blieben nur etwa 101 übrig – ein Verlust von 99?Prozent. In den Anden und in Zentralasien verblieben bei 1,5° C jeweils 43 Prozent. Bei +4° C schrumpfte die Zahl drastisch: In den Anden blieben nur rund 950 Gletscher vorhanden, was ein Verlust von 94?Prozent w?re; in Zentralasien blieben an die 2'500 Gletscher, das w?re ein Minus von 96?Prozent.
Wie die Studie zeigt, gibt es keine Region mehr, in der die Anzahl der Gletscher nicht abnimmt. Selbst im Karakorum in Zentralasien, wo einzelne Gletscher nach der Jahrtausendwende vorübergehend wuchsen, dürften die Gletscher den Prognosen zufolge verschwinden.