«Wir sind den Doktorierenden den Dialog schuldig»

Die j?hrlichen Standortgespr?che würden im Doktorat noch zu wenig ernst genommen, sagt Ulrike Lohmann, Prorektorin Doktorat, mit Blick auf die Mittelbaubefragung. Insgesamt zieht sie aber eine positive Zwischenbilanz zur Umsetzung der neuen Doktoratsverordnung.

Portrait Ulrike Lohmann
Ulrike Lohmann, Prorektorin Doktorat, zieht eine positive Zwischenbilanz zur Umsetzung der neuen Doktoratsverordnung Bild: Giulia Marthaler / ETH Zürich

Ulrike Lohmann, die neue Doktoratsverordnung gilt seit 2022. Seit 2023 sind Sie als Prorektorin zust?ndig für deren Umsetzung. Wie ist Ihr Zwischenfazit?
Lohmann: Vieles l?uft gut, die aktuellste verfügbare Mittelbaubefragungvon 2024 zeigt, dass die Doktorierenden generell und mit der Betreuung recht zufrieden sind.

Wo gibt es Nachholbedarf?
Bei den Standortgespr?chen, sie müssten mindestens j?hrlich stattfinden. Die Doktorierenden besprechen dort mit den Leiter:innen den Fortschritt ihrer Forschung und die Arbeitssituation. Die Befragung zeigt leider, dass diese Gespr?che noch zu selten stattfinden.

Weshalb ist das ein Problem?
Die Doktorierenden sollen wissen, wo sie stehen. Die Gespr?che dienen aber auch als Sollbruchstellen: sie zeigen früh, wenn die Leistungen nicht stimmen oder auch, wenn es zwischenmenschliche Probleme gibt. Diesen Dialog sind wir den Doktorierenden schuldig! Wir haben die Gespr?che eingeführt, um zu verhindern, dass sich ungute Situationen in die L?nge ziehen und am Ende doch zu einem Abbruch führen. Das ist für die Doktorierenden oft einschneidend und manchmal ein Gesichtsverlust.

Warum finden die Gespr?che nicht konsequent statt?
Dem gehe ich nach. Vielleicht hat es mit fehlenden Gewohnheiten zu tun: Die Standortgespr?che sind nicht etabliert wie die Mitarbeitendengespr?che – und sie fallen auch übers Jahr verteilt an. Ich nehme an, dass das nicht aus Absicht geschieht. Das ist aber keine Entschuldigung. Wir müssen L?sungen finden, damit sich das ?ndert.

Welchen Einfluss hatte die Reform im Doktorat auf die Erfolgsraten und die Doktoratsdauer?
Die Erfolgsraten waren schon vor der Reform erfreulich, seit Jahren schliessen konstant rund 90?Prozent der Doktorierenden erfolgreich ab.

90 Prozent Erfolgsrate bedeuten auch, dass 10 Prozent nicht abschliessen. Weshalb?
Nicht alle, die abbrechen, sind gescheitert. H?ufig stehen hinter dem Entscheid auch andere ?berlegungen, etwa eine Neuorientierung im Berufsleben oder attraktive Jobangebote ausserhalb der Wissenschaft. Es ist normal, dass nicht alle abschliessen und gut, dass eine gewisse Selektion bleibt.

Gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern?
Die Dauer unterscheidet sich nur minim zwischen den Geschlechtern, wobei Frauen etwas schneller abschliessen. Die Erfolgsrate schwankt von Jahr zu Jahr, manchmal liegt jene der M?nner h?her, manchmal jene der Frauen. Ich sehe jedoch keine Einseitigkeiten oder Trends – die Zahlen sind dazu sind übrigens ?ffentlich verfügbar.

Wenn sich die Erfolgsrate nicht ver?ndert hat, war die Reform trotzdem ein Erfolg?
Absolut. Bei der Reform ging es nicht um die Erfolgsrate, sondern um die individuellen Situationen. Die Reform hat die Doktorierenden bessergestellt und ihre direkte Abh?ngigkeit von den Leiter:innen verkleinert.

Seit 2022 haben die Doktorierenden per Verordnung ein Recht auf eine Zweitbetreuung. Wie hat sich diese ?nderung ausgewirkt?
Dass sich die Zweitbetreuung bew?hrt, steht für mich ausser Frage. Denn sie offizialisiert, was in vielen Gruppen schon vorher geschah: In der Praxis werden die Doktorierenden eigentlich nie nur von den Leiter:innen betreut. Sie holten sich schon immer Hilfe von verschiedenen Leuten in der Gruppe. Dass die Zweitbetreuung offiziell festgehalten wird, war trotzdem ein wichtiger Schritt.

Wer übernimmt die Zweitbetreuung normalerweise?
Die Person kann aus der Forschungsgruppe kommen oder von extern, die Verordnung l?sst das offen. Wichtig ist, dass die Person verfügbar ist und Zeit hat, sich um die Anliegen der Doktorierenden zu kümmern. Oft k?nnen das Leute aus der eigenen Gruppe am besten wahrnehmen.

Welche ?nderungen haben sich besonders bew?hrt?
Das Eignungskollquium, bei welchem Doktorierende im ersten Jahr ihr Forschungsvorhaben vorstellen und verteidigen müssen. Dieser Eignungstest bew?hrt sich, er bringt Sicherheit für die Doktorierenden und die Leiter:innen. Es ist wichtig und gut, dass sich die Doktorierenden von Beginn weg selbst gut einsch?tzen k?nnen. Umso wichtiger aber eben, dass diese Evaluation danach mit den Standortgespr?chen fortgeführt wird.

Standortgespr?ch soll ein Dialog sein

Weil im Standortgespr?ch Themen wie pers?nliche Weiterentwicklung und Karriereplanung in vielen F?llen zu wenig Aufmerksamkeit erhielten, hat VPPL einen neuen Leitfaden dazu erstellt. Demnach sollen sich Standortgespr?che am neu geschaffenen Personalgespr?ch ?Dialog? orientieren, mehr Raum für einen offenen Austausch schaffen und die individuellen Bedürfnisse beider Gespr?chspartner berücksichtigen.

Weitere Informationen dazu im Doktoratsnavigator

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