Europäische Hummeln erobern Südamerika

Als Bestäuberinnen in der Landwirtschaft wurden europäische Hummeln in Chile eingeführt. Doch die staatenbildenden Insekten haben sich mittlerweile im südlichen Südamerika ausgebreitet. Sehr zum Schaden einheimischer Arten.

Vergr?sserte Ansicht: erdhummel
Eine europ?ische Erdhummel sammelt Pollen auf einer Fuchsie, die in Südamerika heimisch ist. (Bild: Paul Schmid-Hempel / ETH Zürich)

Hummeln wirken niedlich. Sie haben einen dichten Pelz, fliegen etwas schwerf?llig umher und sind weniger aggressiv als Bienen oder Wespen. Als eifrige Pollensammlerinnen sind sie gerade bei Landwirten gesch?tzt. Nicht zuletzt im Hinblick auf die krisengeschüttelten Bienenv?lker werden Erdhummeln Bombus terrestris mittlerweile im ?industriellen? Massstab gezüchtet und zur Best?ubung von Obst- und Gemüsekulturen in- und ausserhalb von Gew?chsh?usern eingesetzt.

Diesen wichtigen Service erhoffte man sich von diesen Insekten auch, als man sie 1998 erstmals im südlichen Südamerika in Chile mit Unterstützung und Bewilligung der Beh?rden als Best?uberinnen in wenigen Treibh?usern einführte. Doch im Glashaus blieben sie nicht. Einige Tiere entkamen, die bald darauf in freier Wildbahn Kolonien gründeten. Damit nicht genug: die Erdhummel entpuppte sich als ?usserst invasives Tierchen, das einen unvergleichlichen Siegeszug antrat, der es bis nach Patagonien führen sollte. Schon 1982 wurde übrigens Bombus ruderatus als erste europ?ische Hummelart eingeführt, doch die blieb vergleichsweise harmlos.

Extrem invasiv

?Es handelt sich um eines der spektakul?rsten Beispiele einer durch den Menschen eingeleiteten Invasion einer fremden Art auf einem ganzen Kontinent?, sagt Paul Schmid-Hempel, emeritierter Professor für experimentelle ?kologie der ETH Zürich, der die Ausdehnung der Erdhummeln in den vergangenen zehn Jahren verfolgte. Soeben hat er dazu zusammen mit seiner Frau Regula und Kollegen aus Südamerika seine Arbeit in der Fachzeitschrift ?Journal of Animal Ecology? ver?ffentlicht. Die beiden haben auf mehreren Touren ins südliche Südamerika diese Insekten gesammelt, um deren rasante Ausbreitung zu dokumentieren, genetische Analysen durchzuführen und die Parasiten, welche im Hummeldarm als blinde Passagiere mitreisen, zu untersuchen.

Die Befunde zeigen: Von Chile aus verbreitete sich die europ?ische Erdhummel entlang der Anden mit durchschnittlich rund 200 Kilometer pro Jahr südw?rts – schneller als es die ?kologen jemals erwartet h?tten. Nach wenigen Jahren hatte die Erdhummel die Bergkette überwunden und erreichte 2011 die Atlantikküste Argentiniens. 2012 war das Insekt schon weit im Süden Patagoniens, vor den Toren der grossen Nationalparks, angelangt. ?Wenn man bedenkt, dass sich Kolonien und nicht Einzeltiere ansiedeln müssen, dann ist dieses Wandertempo erstaunlich hoch?, sagt Paul Schmid-Hempel. In wenigen Jahren werde die Hummel an der Magellanstrasse ankommen, ist er überzeugt. Von dort w?re es dann nur noch ein kleiner Sprung nach Feuerland. ?Von dieser grossen Insel hat man aber bisher leider überhaupt keine Angaben über das Vorkommen von Hummeln?, so der Forscher. Auch in den übrigen nur schwer zug?nglichen Gebieten im Südwesten Chiles hat noch niemand nach Erdhummeln gesucht, weshalb es bis anhin an Nachweisen fehlt. Da in Patagonien im Sommer aber oft starke Winde wehen, h?lt es Schmid-Hempel für m?glich, dass die Insekten leicht an viele Orte verfrachtet werden k?nnten.

 

Angestammte Arten verschwinden

Vergr?sserte Ansicht: bombus dahlbohmii
Die patagonische Hummel Bombus dahlbohmii verschwindet, wenn die Erdhummel auftaucht (Bild: Mariano Diez Pe?a / www.birdingpatagonia.com)

Ein Desaster ist der Siegeszug der europ?ischen Hummel für die einheimischen Hummeln – im südlichen Südamerika leben fünf von weltweit 250 Hummelarten - insbesondere für die attraktive und auff?llig orange Riesenhummel Bombus dahlbomii. Dort, wo sich die Erdhummel ansiedelt, ist es im selben Atemzug um die angestammte Art geschehen: Bombus dahlbomii ist in den meisten Gebieten, wo ihre Konkurrentin aufgetaucht ist, überraschend rasch ausgestorben.

Ein m?glicher Grund für das Aussterben ist der einzellige Parasit Crithidia bombi, der in den Eingeweiden der Erdhummel lebt. Dieser Krankheitserreger führt bei europ?ischen und bei den in Südamerika heimischen Hummelarten zu Darminfektionen; er ver?ndert das Verhalten der Arbeiterinnen, erh?ht ihre Sterblichkeit und unterbindet die Gründung neuer Kolonien.

Die rasche Ausbreitung der Erdhummel in abgelegene Regionen des südlichen Südamerikas bereitet Paul Schmid-Hempel Sorgen, nicht zuletzt deshalb, weil sie anscheinend durch nichts zu bremsen ist. Sie ist jetzt etabliert und wohl kaum mehr aus dem ?kosystem zu entfernen. Die Folgen für die einheimische Tier- und Pflanzenwelt sind allerdings schwierig einzusch?tzen. ?Die europ?ische Hummel k?nnte das ?kologische Gleichgewicht des südlichen Südamerikas empfindlich st?ren. Sie macht auch vor den Grenzen berühmter Nationalparks wie Torres del Paine und anderer grossartigen Landschaften nicht halt?, betont der ?kologe.

Vergr?sserte Ansicht: torres
Die Erdhummel macht auch vor Nationalparkgrenzen wie denjenigen des Torres del Paine-Nationalparks nicht halt. (Bild: Paul Schmid-Hempel)

Literatur

Schmid-Hempel R et al. The invasion of southern South America by imported bumblebees and associated parasites. Journal of Animal Ecology. Published online 21th November 2013. DOI: externe Seite 10.1111/1365-2656.12185

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