Wie Blutgefässe im Gehirn wachsen

Thomas W?lchlis Ziel ist es, das Wachstum von Hirntumoren zu bremsen. In seiner Doktorarbeit an der ETH Zürich besch?ftigte sich der Mediziner mit der Entstehung von Blutgef?ssen im Gehirn. Denn diese unterstützen auch das Tumorwachstum. Der Wissenschaftler entwickelte eine Methode, die neue Einblicke in die einzelnen Entwicklungsschritte von Blutgef?ssen im Gehirn erm?glicht.

Vergr?sserte Ansicht: Mikroskopiebild
Blutgef?sswandzellen sind in diesem Pr?parat rot gef?rbt: Oberhalb der Mitte ist eine Tip-Zelle mit fingerartigen Forts?tzen sichtbar. Durchblutete Gef?sse sind in Rosa dargestellt (Gef?ss unten). (Bild: W?lchli T et al. Nature Protocols 2014)

Blutgef?sse sind essentiell für die Versorgung des K?rpers mit Sauerstoff und N?hrstoffen. Sie bilden ein Transportsystem, über welches das Blut zu den einzelnen Organen und Zellen gelangt. Der Arzt Thomas W?lchli hat in seiner naturwissenschaftlichen Doktorarbeit am Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie (D-HEST) der ETH Zürich die komplexen Prozesse der Blutgef?ssbildung im Gehirn, einem der meist durchbluteten Organe des K?rpers, erforscht.

Für seine Arbeit hat er ein Mikroskopie-Verfahren so weiterentwickelt, dass sich damit die sich neu formierenden und noch nicht durchbluteten von den durchbluteten Blutgef?ssen im Gehirn unterscheiden und dreidimensional darstellen lassen. Das ist deshalb wichtig, weil sich die nicht-durchbluteten Gef?ssteile noch im Wachstum befinden. Und eben dieser Wachstumsprozess k?nnte in Zukunft Ansatzm?glichkeiten für die Behandlung von Hirntumoren bieten.

Unterschiedliche Rolle von Blutgef?ssen

Blutgef?sse erfüllen im Hirnraum mehrere Funktionen. Ihre Hauptaufgabe ist die Versorgung des Gehirngewebes mit Sauerstoff. Daneben spielen sie aber auch eine entscheidende Rolle bei Krankheiten wie Schlaganf?llen, Hirnblutungen und Tumoren. W?hrend nach einem Schlaganfall oder einer Hirnblutung neue Gef?sse zur Genesung beitragen, haben die Blutgef?sse bei Tumoren den gegenteiligen Effekt. ?Sie versorgen die Tumorzellen mit N?hrstoffen und Sauerstoff und f?rdern so das Tumorwachstum?, erkl?rt W?lchli. Dem m?chte er künftig etwas entgegensetzen k?nnen. Denn als Assistenzarzt in der Neurochirurgie am Universit?tsspital Zürich hat er h?ufig mit Patienten mit Hirntumoren zu tun.

Für seine Dissertation untersuchte W?lchli die Blutgef?ssentwicklung im Gehirn von M?usen in den Tagen nach der Geburt. In dieser Phase ist die Blutgef?ssbildung am aktivsten. Mit zunehmendem Alter werden immer weniger neue Blutgef?sse gebildet bis die Blutgef?ssbildung im erwachsenen, gesunden Hirn praktisch ruht.

Der Entwicklungsprozess l?uft dabei prim?r so ab, dass neue Gef?sse aus den bereits bestehenden herauswachsen. An der Spitze eines neuen Gef?sszweigs befindet sich eine sogenannte Tip-Zelle, die mit finger?hnlichen Zellforts?tzen (Filopodien) gewissermassen das umliegende Gewebe nach Signalen sondiert. Abh?ngig von mechanischen und metabolischen Rückkopplungen sowie weiteren, bislang nicht vollst?ndig erforschten Faktoren dirigiert die Tip-Zelle den wachsenden Gef?ss-Spross durch das Gewebe und verschmilzt schliesslich mit einem anderen Gef?ss – es entwickelt sich ein neuer durchbluteter Gef?sszweig.

Blutgef?sse sichtbar machen

Mit der von Thomas W?lchli und Kollegen an ETH, Universit?t und Universit?tsspital Zürich entwickelten sogenannten Immunfluoreszenz-Methode lassen sich jetzt erstmals die durchbluteten sowie die nicht-durchbluteten Gef?sse inklusive Tip-Zellen pr?zise und vor allem zeitgleich in einem Gewebepr?parat abbilden. ?Die Idee war dabei, die bestehende Technik zur Darstellung der durchbluteten Gef?sse mit der Visualisierung der Tip-Zellen zu kombinieren?, berichtet W?lchli.

Die Methode funktioniert so: In einem ersten Schritt machen die Wissenschaftler die durchbluteten Blutgef?sse mit Hilfe von Evans Blue sichtbar. Das ist ein Farbstoff, der an Albumin bindet, ein im Blutplasma vorkommendes Protein. In einem zweiten Schritt werden die nicht-durchbluteten Gef?sse im Hirnpr?parat mit einem Fluoreszenzfarbstoff kenntlich gemacht, der an Blutgef?sswandzellen (Endothelzellen) bindet. Mit einem sogenannten konfokalen Fluoreszenzmikroskop k?nnen so detail- und kontrastreiche dreidimensionale Aufnahmen gemacht werden. Diese Bilder sind so pr?zise, dass sich bei jedem Gef?ss das Entwicklungsstadium feststellen l?sst.

Mit Hilfe der Stereologie, einer mathematischen Methode zur dreidimensionalen Bildanalyse, konnte W?lchli ausserdem das Volumen, die L?nge sowie die Anzahl Verzweigungen der Gef?sse exakt berechnen – und zwar sowohl für die durchbluteten als auch für die sich neu bildenden Gef?sse. Zudem erm?glicht die Technik eine pr?zise Analyse der Tip-Zellen inklusive der Anzahl und L?nge der Filopodien.

Ein Werkzeug für die Krebsforschung

Die Methode soll künftig etwa Forschungsarbeiten zu Signalmolekülen, welche die Blutgef?ssbildung f?rdern oder hemmen, erleichtern. So k?nnte sie dazu beitragen, Therapien für jene Krankheiten zu finden, bei denen die Blutgef?ssbildung eine Rolle spielt. ?Denn viele Moleküle und Signalwege, welche für das Blutgef?sswachstum w?hrend der Gehirn-Entwicklung wichtig sind, werden w?hrend dem Wachstum von Hirntumoren und der Regeneration nach Schlaganf?llen reaktiviert?, so der Mediziner.

W?lchli ist derzeit Assistenzarzt an der Klinik für Neurochirurgie am Universit?tsspital Zürich und Junior Group Leader an den Zentren für Regenerative Medizin und für Neurowissenschaften von Universit?t und Universit?tsspital Zürich beziehungsweise ETH Zürich. Zusammen mit seinen Kollegen ist er daran, die Methode so weiterzuentwickeln, dass damit das Wachstum von Blutgef?ssen in Hirntumoren charakterisiert werden kann. Dies w?re für die Suche nach Medikamenten hilfreich, welche Blutgef?sse im Tumor, nicht aber im gesunden Gehirngewebe angreifen.

Literaturhinweis

W?lchli T, Mateos JM, Weinman O, Babic D, Regli L, Hoerstrup SP, Gerhardt H, Schwab ME, Vogel J: Quantitative assessment of angiogenesis, perfused blood vessels and endothelial tip cells in the postnatal mouse brain, Nature Protocols, 11. Dezember 2014, doi: externe Seite 10.1038/nprot.2015.002

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