Ein Traum von einem Schaum

ETH-Forscher sind dem Geheimnis von stabilen Sch?umen auf den Grund gegangen. Ihre Erkenntnisse k?nnten Bierschaum und Glaces haltbarer machen. Und Beton revolutionieren.

Ein stabiler Bierschaum gilt als Zeichen für Frische und Qualität. (Bild: www.colourbox.com)
Ein stabiler Bierschaum gilt als Zeichen für Frische und Qualit?t. (Bild: www.colourbox.com)

?O'zapft is!? –  soeben haben die Münchner auf der Wiesn das Oktoberfest er?ffnet. Und das Bier fliesst nun in Str?men. Der Gerstensaft erzeugt jedoch nicht nur ein kollektives Delirium, sondern verzückt wegen seines pr?chtigen Schaums auch Materialwissenschaftler.

Ein guter Bierschaum ist ein Zeichen für die Qualit?t und die Frische eines Biers. Eine typische Schaumkrone ist 1,5 Zentimeter dick und besteht aus 1,5 Millionen Bl?schen. Idealerweise bleibt sie stabil, doch meist verschmelzen die Bl?schen bald miteinander oder sie platzen und der Schaum f?llt in sich zusammen. Dieses Verhalten ist typisch für alle Arten von Sch?umen, seien dies nun Nahrungsmittel oder moderne Industriematerialien.

Einer dieser Vorg?nge, der Schaum instabil macht, ist besonders schwierig zu stoppen. Ostwald-Reifung nennen Fachleute diesen Prozess, den der deutsche Chemiker und Nobelpreistr?ger von 1909, Wilhelm Ostwald, schon vor über 100 Jahren beschrieben hatte. Dabei werden grosse Bl?schen noch gr?sser und kleine schrumpfen und verschwinden.

Zerfall des Schaums stoppen

Die Ostwald-Reifung ver?ndert die Textur von Bierschaum und anderen gesch?umten Lebensmitteln und Konsumartikeln auf unerwünschte Weise, und sie schw?cht die Produktequalit?t. Sch?ume (und Emulsionen) zu stabilisieren, ist deshalb eine Herausforderung bei verschiedensten Anwendungen, von Pflegeprodukten bis hin zu modernen funktionalen Materialien.

Oberfl?chenstabilisatoren wie bestimmte Proteine im Bier k?nnen die Reifung des Schaums aber verlangsamen, indem sie die Oberfl?chenspannung senken. Verhindern k?nnen Stabilisatoren die Ostwald-Reifung allerdings nicht. Hat diese eingesetzt, l?sst sie sich nicht mehr stoppen.

Jan Vermant, Professor für weiche Materialien der ETH Zürich, und seine Gruppe haben nun für dieses Schaumproblem eine neue wissenschaftliche Grundlage erarbeitet. Unl?ngst berichteten sie darüber in der Fachzeitschrift PNAS. Es ist den Wissenschaftlern zum ersten Mal gelungen, die Stabilisierung von Schaumbl?schen quantitativ zu erfassen und allgemeingültige Prinzipien zu formulieren. ?Diese Prinzipien werden der Lebensmittel- und Materialindustrie helfen, gezielt Stabilisatoren zu entwickeln, welche der Ostwald-Reifung vorbeugen oder sie gar stoppen?, sagt Vermant.

Netz von Partikeln stabilisiert Blase

In ihrer Studie zeigen die ETH-Materialforscher auf, wie bestimmte Partikel als Schaumstabilisatoren wirken und kleine Bl?schen vor dem Schrumpfen schützen. Zu Testzwecken verwendeten die Wissenschaftler mikrometergrosse Polymerteilchen sowie Partikel von reiskornartiger Form. Die beiden unterschiedlichen Teilchen bilden eine unregelm?ssige Netzstruktur an der Bl?schenoberfl?che.

In einer speziellen Mikrofluidik-Anordnung testeten die Forscher, ob dieses Netzwerk die Bl?schen genügend stützt. Darin konnten sie einzelne Bl?schen gezielt mit einer kontrollierten Menge dieser Stabilisatoren beschichten und danach in einer Mini-Druckkammer stufenweise steigenden Druckverh?ltnissen aussetzten. Die Wissenschaftler simulierten damit Ostwald-Reifung.

Ein Stabilisator bildet auf einer Luftblase eine netzartige Struktur und stützt sie dadurch.  
Ein Stabilisator bildet auf einer Luftblase eine netzartige Struktur und stützt sie dadurch.  
Die Partikel stabilisieren die Blase auch unter Druck. (Bilder: Gruppe Jan Vermant / ETH Zürich)
Die Partikel stabilisieren die Blase auch unter Druck. (Bilder: Gruppe Jan Vermant / ETH Zürich)

?Dadurch konnten wir genau festhalten, bei welchem Druck ein Bl?schen zu schrumpfen beginnt und schliesslich kollabiert?, sagt Peter Beltramo, Postdoktorand bei Vermant. Dank ihrer speziellen Versuchsanordnung konnten die Forschenden nicht nur Einzelbl?schen untersuchen. Sie konnten auch die Zahl der Partikel, die ein Bl?schen umgeben, variieren und dann die Anzahl der Partikel mit den mechanischen Eigenschaften des Bl?schens in Bezug setzen.

Es zeigte sich, dass teilweise bedeckte Bl?schen genauso stabil sein k?nnen wie solche, die vollkommen mit Partikeln bedeckt sind. Damit l?sst sich die ben?tigte Menge eines Stabilisators genau vorhersagen. ?Dank unseren Erkenntnissen lassen sich viel Material und damit Kosten einsparen?, betont Beltramo. Weiter stellten die Forscher fest, dass ein beschichtetes Bl?schen einem viel h?heren Druck standh?lt als ein unbeschichtetes.

Universell gültig

Die gewonnenen Erkenntnisse seien über Sch?ume hinaus universell gültig für alle Materialien mit grossen Oberfl?chen oder Anwendungen, in denen Oberfl?chen eine wichtige Rolle spielten, sagt Vermant. Unter anderem gelte das Prinzip auch für die Lunge oder das Auge, das durch einen Tr?nenfilm geschützt sei. ?Diese dünnen Filme sind sehr stabil – entwickelt von der Natur?, sagt Vermant.

Die Erkenntnisse k?nnten auch für die Industrie nützlich sein. Wissenschaftler k?nnten nun nach Stabilisatoren forschen, die schaumige Lebensmittel wie Eiscrème, Brotteig oder auch Bierschaum haltbarer machten. ?Wir geben der Lebensmittelindustrie Entwicklungsrichtlinien und Quantifizierungswerkzeuge in die Hand, die sie bei der Entwicklung neuer Produkte verwenden k?nnen?, erkl?rt der ETH-Professor. Und was für Bierschaum oder Eiscrème recht ist, ist für Beton billig. Kleine stabile Bl?schen in Beton machen ihn widerstandsf?higer gegenüber Zyklen von Einfrieren und Auftauen. Zudem wird er dadurch leichter.

Anlass zu dieser Forschungsarbeit gaben Nahrungsmittelsch?ume. Die Studie wurde mitfinanziert vom Glacéhersteller Nestlé. ??ber Eiscrème und stabilen Bierschaum nachzudenken kann also zu neuen besseren Materialien führen – Prost!?, freut sich Vermant.

Vergr?sserte Ansicht: Die Mikrofluidikanordnung, mit der die Forscher einzelne Bläschen gezielt beschichteten. (Bild: Gruppe Prof. Jan Vermant / ETH Zürich)
Die Mikrofluidikanordnung, mit der die Forscher einzelne Bl?schen gezielt beschichteten. (Bild: Gruppe Prof. Jan Vermant / ETH Zürich)

Literaturhinweis

Beltramo PJ, Gupta M, Alickea A, Liascukiene I, Gunes DZ, Baroud CN, Vermant J. Arresting dissolution by interfacial rheology design. PNAS, 11. September 2017. doi: externe Seite 10.1073/pnas.1705181114

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