Der Bio-Mikrosensor für Apfel und Fisch

Eine neue Generation von Mikrosensoren soll das Internet der Dinge in den Bereich von Lebensmitteln erweitern. ETH-Forscher haben einen hauchdünnen Temperatursensor entwickelt, der für die Gesundheit unbedenklich und biologisch abbaubar ist.

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Bioabbaubarer Mikrosensor für das Internet of Food. (Video: Simon Zogg/ETH Zürich)

Mikrosensoren werden heute schon breit eingesetzt, zum Beispiel um giftige Gase zu erkennen. Auch in kleine Sender-Empf?nger-Systeme, wie den weitverbreiteten RFID-Chips, werden sie eingebaut. Da solche Sensoren jedoch oft umwelt- und gesundheitssch?dliche Edelmetalle enthalten, kommen sie für medizinische Anwendungen mit direktem K?rperkontakt oder zum Anbringen an Lebensmitteln nicht infrage. Entsprechend gross ist das Interesse von Forschung und Industrie an Mikrosensoren aus nichttoxischen Materialien, die biologisch abbaubar sind.

Magnesiumdraht in kompostierbarem Polymer

Ein Team von Forschern um Giovanni Salvatore, Postdoktorand an der Professur für Elektronik, entwickelte nun gemeinsam mit Wissenschaftlern weiterer ETH-Institute einen solchen Bio-Mikrosensor für die Temperaturmessung. Sie berichten davon im Fachmagazin ?Advanced Functional Materials?. Für den Bio-Mikrosensore schweissten sie einen superfeinen, eng gewundenen Elektrodraht aus Magnesium, Siliziumdioxid und -nitrit in ein kompostierbares Polymer ein. Magnesium ist ein wichtiger Bestandteil unserer Ern?hrung; Siliziumdioxid und -nitrit sind biokompatibel und wasserl?slich. Das verwendete Polymer wird aus Mais- und Kartoffelst?rke produziert und entspricht den EU- und US-Richtlinien für den Einsatz im Lebensmittelbereich.

Giovanni Salvatore ist überzeugt, dass solchen Bio-Mikrosensoren eine grosse Zukunft bevorsteht. Er macht ein Anwendungsbeispiel: ?Fische aus Japan k?nnten für den Transport nach Europa mit winzigen Temperatursensoren versehen werden. Dadurch k?nnte kontinuierlich überwacht werden, ob sie ausreichend gekühlt sind.? Dafür sind Sensoren n?tig, die an Lebensmitteln angebracht sind und die Gesundheit der Konsumenten nicht gef?hrden. Damit die Sensoren in Containern voller Fisch oder anderer Lebensmittel eingesetzt werden k?nnen, müssen sie ausserdem genügend klein, robust und flexibel sein.

Dünner als ein Haar

Der von den Forschern entwickelte Sensor ist lediglich 16 Mikrometer dick, also wesentlich dünner als ein Haar (100 Mikrometer), und er wiegt in einer wenige Millimeter grossen Ausführung nur Bruchteile von einem Milligramm. In seiner jetzigen Form ist der Sensor in einer einprozentigen Salzl?sung in 67 Tagen komplett aufgel?st. Funktionstüchtig bleibt er derzeit einen Tag lang, denn solange dauert es, bis das Wasser durchs Polymer diffundiert ist und es den Draht des Sensors aufgel?st hat. Das würde reichen, um beispielsweise eine Fischlieferung von Japan nach Europa zu überwachen.

?Die Lebensdauer k?nnen wir durch die Polymerdicke aber relativ einfach anpassen?, sagt Salvatore. Allerdings w?re ein dickerer Sensor weniger flexibel. Der derzeitige dünne Sensor funktioniert selbst dann noch, wenn er komplett zerknüllt oder gefaltet wird. Auch Zugkr?ften bis zur Ausdehnung von10 Prozent der Originalgr?sse h?lt er stand.

Zur Energieversorgung haben die Forscher den Sensor mit ultradünnen, biologisch abbaubaren Zinkkabeln an eine externe Mikrobatterie gekoppelt. Auf demselben (nicht biologisch abbaubaren) Chip befindet sich ein Mikroprozessor sowie ein Sender, über den die Temperaturdaten mit Bluetooth an einen externen Computer gesendet werden. Dadurch kann die Temperatur eines Produkts über eine Reichweite von zehn bis zwanzig Metern kontinuierlich überprüft werden.

Biosensoren ab der Rolle

Derzeit ist die Herstellung des Bio-Mikrosensors noch sehr aufwendig und kostspielig. Salvatore ist jedoch überzeugt, dass die Sensoren dereinst für den Massenmarkt produziert werden k?nnten. Insbesondere, weil die Druckverfahren für Elektronik immer besser werden. ?Sind die Biosensoren erst einmal genügend günstig, k?nnte man sie praktisch überall hinkleben?, sagt Salvatore. Lebensmittel k?nnten dadurch Teil des ?Internet der Dinge? werden, über welches die physische Welt mit der digitalen vernetzt wird. Dabei muss es nicht bei Temperaturmessungen bleiben: ?hnliche Mikrosensoren k?nnten Druck, Gasentwicklung oder UV-Strahlung messen.

Salvatore prognostiziert, dass wir in fünf bis zehn Jahren erste solche biologisch abbaubaren Sensoren im Alltag antreffen werden, je nach Interesse der Industrie. Bis dann würden Batterie, Prozessor und Sender wahrscheinlich gleich im Mikrosensor integriert sein, sagt Salvatore. Damit auch diese Komponenten für Umwelt und Gesundheit unbedenklich sind, ist noch viel Forschung n?tig. Das Team forscht deshalb aktuell an einem biokompatiblen Energietr?ger für seinen Sensor.

Der Sensor haftet auch auf Fischhaut und würde helfen, die Frische einer Fracht zu überwachen. (Bild: aus Salvatore et al, Adv. Func. Materials, 2017)  
Der Sensor haftet auch auf Fischhaut und würde helfen, die Frische einer Fracht zu überwachen. (Bild: aus Salvatore et al, Adv. Func. Materials, 2017)  

Literaturhinweis

Salvatore GA et al.: Biodegradable and Highly Deformable Temperature Sensors for the Internet of Things. Advanced Functional Materials 2017. 1702390. doi: externe Seite 10.1002/adfm.201702390

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