Den Austausch von Gesundheitsdaten in Schwung bringen

Um die personalisierte Medizin weiterzuentwickeln, müssen Forschende und Mediziner Zugang zu Gesundheitsdaten haben. Einheitliche Richtlinien für den Austausch solcher Daten fehlen jedoch, wie eine Studie von ETH-Forschenden zeigt. Dies ist mit ein Grund, warum dieser Austausch noch zu wenig stattfindet.

Symbolbild
Fortschritte in der personalisierten Medizin bedingen den Austausch von Gesundheitsdaten. (Grafik: Colourbox)

Mit Hilfe von personalisierter Medizin wird es künftig m?glich sein, Patienten besser zu behandeln. Bei einigen wenigen Krankheiten setzen ?rztinnen und ?rzte sie bereits heute ein, etwa bei verschiedenen Krebsarten. So kann zum Beispiel eine molekulare Analyse des Tumors zeigen, welchem Typ er angeh?rt und welche Chemotherapie dagegen hilft. Das verbessert die Heilungschancen und erspart den Patienten unn?tige und unwirksame Behandlungen.

Doch bisher ist die personalisierte Medizin noch nicht richtig aus den Startl?chern gekommen. Denn um die molekularen Ursachen von Krankheiten zu identifizieren und individuell zugeschnittene Therapien zu entwickeln, müssen m?glichst viele verschiedene Daten miteinander in Beziehung gesetzt werden: Patientendaten aus Spit?lern, Ergebnisse von klinischen Tests, molekulare und genetische Daten aus der Forschung sowie Informationen von Gesunden. Dazu braucht es den Austausch von Daten zwischen Spit?lern und Forschungseinrichtungen. ?Bisher findet dieser Austausch aber noch nicht ausreichend statt?, sagt Effy Vayena, Bioethikerin und Professorin am Institut fu?r Translationale Medizin der ETH Zu?rich.

Richtlinien für die Schweiz

In der Schweiz soll sich das jedoch künftig ?ndern: Seit dem vergangenen Jahr l?uft hierzulande die F?rderinitiative ?Swiss Personalized Health Network? (SPHN), welche die Entwicklung der personalisierten Medizin vorantreiben will. In deren Rahmen ist Vayena Vorsitzende eines Beirats, der sich mit ethischen, rechtlichen und sozialen Fragen befasst. ?Unser Ziel ist es, Richtlinien für den Austausch von Gesundheitsdaten zu entwickeln?, sagt Vayena.

Sie und weitere ETH-Forschende haben nun in einem ersten Schritt untersucht, welche internationalen Richtlinien und Empfehlungen es bereits gibt und mit welchen Themen sich diese befassen. Sie verglichen 230 Dokumente aus dem Zeitraum zwischen 1996 und 2017, die von Beh?rden, Forschungseinrichtungen, Expertengruppen und weiteren nationalen und internationalen Organisationen herausgegeben wurden. Dazu z?hlen unter anderen die Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa (OECD), die Nationalen Gesundheitsinstitute (NIH) in den USA und die Vereinigung ?Global Alliance for Genomics and Health?. Die Ergebnisse ihrer Vergleichsstudie haben die Forschenden nun in der Zeitschrift externe Seite Health Affairs ver?ffentlicht.

Wichtige Themen bisher vernachl?ssigt

Die Analyse zeigt, dass die untersuchten Richtlinien und Empfehlungen sich kaum aufeinander beziehen und zudem wenig einheitlich sind. Nur drei Themen kommen in fast allen vor: Die Hoheit der Patienten über die Verwendung ihrer Daten, die Datensicherheit sowie die Datenqualit?t. ?Diese Themen sind natürlich sehr wichtig?, sagt Bioethikerin Vayena.

Allerdings gibt es weitere wichtige Aspekte, die – über alle Dokumente betrachtet – vergleichsweise wenig Beachtung fanden. Dazu z?hlt unter anderem die Frage, wer zur Rechenschaft gezogen wird, wenn Patientendaten nicht korrekt verwendet wurden, also zum Beispiel, wenn diese ohne Einverst?ndnis für ein Forschungsprojekt genutzt wurden. Aber auch die Frage, wie Forschende gewürdigt beziehungsweise belohnt werden k?nnen, die ihre selbst gewonnenen Forschungsdaten auch anderen Wissenschaftlern zur Verfügung stellen. ?Nur wenn wir uns auch mit solchen Aspekten st?rker befassen, k?nnen wir den Austausch von Daten verbessern?, sagt Vayena.

Diesem stehen derzeit vielf?ltige Hürden im Wege. Zum Teil sind sie technischer Art – beispielsweise, dass der Datenaustausch zwischen Spit?ler nicht klappt, weil ihre unterschiedlichen Systeme für elektronische Patientendossiers nicht kompatibel sind. Oft mangelt es jedoch auch an der Bereitschaft von Forschenden oder Firmen, ihre Daten mit anderen zu teilen. Sie wollen diese nicht der Konkurrenz preisgeben oder scheuen Mühe und Kosten, sie durch Einstellen in eine Datenbank zug?nglich zu machen. Und nicht zuletzt z?gern Patienten oftmals, ihr Einverst?ndnis zur Verwendung ihrer Daten zu geben, weil sie nicht genau wissen, was damit geschieht.

Innovative L?sungen sind gefragt

Künftige Richtlinien zum Datenaustausch sollten sich mit m?glichst vielen der identifizierten Hürden befassen, sagt ETH-Forscherin Vayena. Zudem sei es n?tig, innovative L?sungen zu entwickeln, da bisherige Ans?tze nur unzureichend funktioniert h?tten. Beispielsweise k?nnten neue Technologien wie Blockchain genutzt werden, um Daten besser zu schützen. Oder man k?nnte ein Anreizsystem für Forschende schaffen, das auf Gegenseitigkeit beruht: Nur wer eigene Forschungsergebnisse in eine Datenbank einstellt, hat auch Zugriff auf die Daten anderer. Oder Patienten k?nnten die M?glichkeit erhalten, anstatt der Verwendung ihrer Daten pauschal zuzustimmen, mit digitalen Technologien das Einverst?ndnis für einzelne Forschungsprojekte zu geben. Solche Technologien würden ausserdem einen gewissen Austausch zwischen Patienten und Forschenden erm?glichen.

Solche ?berlegungen werden auch in die Richtlinien einfliessen, welche im Rahmen der SPHN-Initiative entwickelt werden.  Deren Umsetzung soll dann Schritt für Schritt erfolgen: Zun?chst werden sie die fünf Universit?tsspit?ler Zürich, Basel, Bern, Lausanne und Genf übernehmen, welche derzeit an der SPHN-Initiative beteiligt sind. Diese bauen im Moment klinische Datenmanagementsysteme auf, die Patientendaten für die Forschung erschliessen und den Austausch mit Forschungseinrichtungen erm?glichen. Parallel dazu bauen Hochschulen regionale Zentren zur Koordination und sicheren Verarbeitung von biomedizinischen Daten auf. Vayena ist überzeugt: ?Wenn sich alle Beteiligten in der Schweiz gemeinsamen richtigen Standards verschreiben, wird das den Austausch von Daten und damit die personalisierte Medizin einen grossen Schritt vorw?rts bringen.?

Literaturhinweis

Blasimme A, Fadda M, Schneider M, Vayena E: Data Sharing For Precision Medicine: Policy Lessons And Future Directions. Health Affairs 37, 2018, doi: externe Seite 10.1377/hlthaff.2017.1558

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