Ein interdisziplin?res Forschungsteam aus Bern und Zürich hat eine Methode entwickelt, mit der sich Harnwegstents und -katheter nicht-invasiv – durch die Haut und ohne chirurgische Eingriffe – mittels Ultraschall reinigen lassen.
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In Kürze
- Harnwegstents und -katheter müssen bislang alle zwei bis sechs Monate ersetzt werden, da sie h?ufig durch Biofilm und kristalline Ablagerungen verstopfen.
- Forschende der ETH Zürich, der Universit?t Bern und des Inselspitals, Universit?tsspital Bern, haben nun eine neue Technologie entwickelt: Mikroskopisch kleine Flimmerh?rchen auf der Stent-Oberfl?che erzeugen bei Ultraschallaktivierung reinigende Str?mungen, die Ablagerungen effizient entfernen.
- Diese nicht-invasive Methode k?nnte künftig den Bedarf an Stentwechseln deutlich verringern, Infektionen vorbeugen und damit sowohl Patient:innen als auch das Gesundheitssystem entlasten.
Harnwegstents und -katheter sind in der Human- und Veterin?rmedizin weit verbreitet und dienen der Ableitung von Urin in oder aus der Blase. Ureterstents werden eingesetzt, wenn der Harnleiter, das heisst der Gang zwischen Niere und Blase, durch Tumore, Schwangerschaft, Steine oder anatomische Verengungen blockiert ist. Verstopfungen durch bakteriellen Biofilm oder kristalline Ablagerungen – sogenannte Verkrustungen – z?hlen zu den h?ufigsten Komplikationen nach der Implantation. Diese Ablagerungen entstehen an Innen- und Aussenw?nden solcher Stents und Katheter und k?nnen schmerzhafte Infektionen oder gar Versagen dieser Ger?te verursachen. Um diese Probleme zu vermeiden, müssen Harnwegstents und -katheter alle zwei bis sechs Monate ausgetauscht werden, was nicht nur die Lebensqualit?t der Betroffenen erheblich einschr?nkt, sondern auch zu einer grossen Belastung der Spit?ler und hohen Kosten führt.
Unter der Leitung von Daniel Ahmed, Professor für Akustische Robotik an der ETH Zürich und Francesco Clavica vom Artorg Center der Universit?t Bern simulierte das internationale Team die Verh?ltnisse in einem gestenteten Harnleiter. Sie konnten zeigen, dass durch Ultraschall aktivierte künstliche Flimmerh?rchen auf der Oberfl?che des Stents Biofilme und Verkrustungen effizient entfernen k?nnen. Die Ergebnisse wurden soeben in der Fachzeitschrift externe Seite PNAS ver?ffentlicht.
Interdisziplin?re Zusammenarbeit
?Mit Unterstützung des Innovation Office der Universit?t Bern haben wir die Grundlagenforschung meiner ETH-Doktorarbeit in eine anwendungsnahe Technologie überführt?, erkl?rt Cornel Dillinger. Er teilt sich die Erstautorenschaft mit Pedro Amado, beide vom Artorg Center der Universit?t Bern. Die Forschenden m?chten neue medizinische Ger?te mit winzigen Flimmerh?rchen an den Innen- und Aussenw?nden ausstatten, die durch gezielte Ultraschallreize eine reinigende Str?mung erzeugen, die Bakterien und Kristalle von den Oberfl?chen l?st und wegspült. Auf diese Weise k?nnten Stents und Katheter nicht-invasiv gereinigt werden, was das Risiko einer Verstopfung deutlich verringern würde.

Effiziente Reinigung durch Ultraschall
Die Forschenden konnten zeigen, dass Ultraschallwellen, die auf glatte Oberfl?chen treffen, kaum Str?mung erzeugen. Weist die Oberfl?che hingegen Mikrostrukturen mit scharfen Kanten auf, wie zum Beispiel Flimmerh?rchen, entsteht eine sehr effiziente Str?mung, die als akustische Str?mung bezeichnet wird. Die Ergebnisse der Mikrofluidik-Experimente übertrafen die Erwartungen der Forschenden bei weitem. ?In allen Tests konnten typische Verkrustungen und Biofilme, wie sie in Harnwegstents und -kathetern vorkommen, mit unserer Technologie innerhalb von Minuten oder sogar Sekunden entfernt werden?, erkl?rt Daniel Ahmed, Ko-Leiter der Studie. Diese Technologie k?nnte nicht nur in der Urologie, sondern auch in anderen Bereichen wie beispielsweise der Viszeralchirurgie oder der Tiermedizin eingesetzt werden, wo die Reinigung implantierter medizinischer Ger?te ebenfalls entscheidend ist.
Ein Blick in die Zukunft
Die nicht-invasive Reinigung durch Ultraschallaktivierung birgt das Potential, invasive Folgeeingriffe zu reduzieren und damit sowohl die Lebensqualit?t von Patientinnen und Patienten zu verbessern als auch das Gesundheitssystem zu entlasten. Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie sind vielversprechend. ?Bis zu einem marktreifen Produkt, von dem die Betroffenen profitieren k?nnen, ist es jedoch noch ein weiter Weg?, betont Francesco Clavica, Ko-Leiter der Studie. Mit einem Bridge-Beitrag des Schweizerischen Nationalfonds über 2 Millionen Franken wird nun ein Prototyp entwickelt, der in Tiermodellen getestet werden soll. ?Wir denken bereits jetzt über Fragen der Skalierbarkeit und nachhaltigen Produktion nach?, fügt Clavica an. L?ngerfristig plant das Forschungsteam die Gründung eines Spin-offs.
Literaturhinweis
Amado P, Dillinger C, Bahou C , Gheinani H, Obrist D, Burkhard F, Ahmed D, Clavica F: Ultrasound-activated cilia for biofilm control in indwelling medical devices. PNAS, 28. April 2025, doi: externe Seite 10.1073/pnas.2418938122