Was ist, wenn wir auf den Exoplaneten kein Leben finden, Herr Angerhausen?
Die geplanten Weltraummissionen zur Suche nach fernem Leben bringen die Forschung auch weiter, wenn sie kein Leben finden, sagt der Astrophysiker Daniel Angerhausen.
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In Kürze
- Zwei grosse Weltraummissionen sollen erstmals gezielt Exoplaneten auf Spuren von Leben untersuchen – darunter das Projekt Life unter Leitung der ETH Zürich.
- Astrophysiker Daniel Angerhausen untersucht, welche Erkenntnisse gewonnen werden k?nnen, selbst wenn kein Leben entdeckt wird.
- Je mehr Planeten untersucht werden, desto genauer l?sst sich absch?tzen, wie h?ufig oder selten Leben im Universum tats?chlich ist.
Wissenschaftler planen derzeit zwei grosse Weltraummissionen zur Suche nach Leben im All: das Projekt HWO der Nasa und das Projekt Life unter der Leitung der ETH Zürich (siehe Kasten unten). Sollte eine dieser Missionen Leben auf einem Exoplaneten, also einem Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems, entdecken, w?re dies eine Sensation mit Auswirkungen weit über die Wissenschaft hinaus und würde unser Weltbild ver?ndern. Genauso denkbar ist aber auch, dass die beiden milliardenschweren Missionen zahlreiche Exoplaneten untersuchen, aber auf keinem von ihnen eindeutige Spuren von Leben finden. W?re das ein Flop – oder etwa doch nicht?
ETH-News hat sich mit Daniel Angerhausen unterhalten. Er untersuchte in einer jüngst ver?ffentlichten Studie, was es mit einem solchen Nullergebnis auf sich hat und warum es für die Wissenschaft dennoch ein Gewinn w?re.
Herr Angerhausen, was ist wahrscheinlicher: Dass wir in 15 Jahren Leben im All gefunden haben, oder dass wir bis dann Dutzende von Exoplaneten gründlich untersucht und auf keinem von ihnen Spuren von Leben entdeckt haben?
Daniel Angerhausen: Das ist die grosse Frage. Die H?lfte der Astrobiologen sagt: Leben entsteht ganz einfach, das Universum ist voll von Leben. Die andere H?lfte sagt: Dass auf der Erde Leben entstanden ist, ist eine extreme Verkettung von Zuf?llen. Wie selten oder h?ufig Leben im Universum ist, ist genau die Frage, die wir mit Missionen wie Life und HWO beantworten wollen. Ich pers?nlich versuche als Wissenschaftler so unvoreingenommen wie m?glich an diese Frage heranzugehen.
Und welches Ergebnis wünschen Sie sich pers?nlich?
Natürlich habe ich die Hoffnung, dass wir Leben finden. Ich würde meine Karriere nicht der Suche nach Leben im All verschreiben, wenn ich nicht zumindest diese Hoffnung h?tte. Aber ich f?nde beide Ergebnisse spannend. Der britische Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke hat einmal sehr sch?n gesagt: ?Es gibt zwei M?glichkeiten: Entweder wir sind allein im Universum oder wir sind es nicht. Beide M?glichkeiten sind gleichermassen be?ngstigend.?
Zur Person
Daniel Angerhausen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Departement Physik der ETH Zürich und Co-Leiter des Projektbüros des Weltraumprojekts Life.
Was bedeuten die Ergebnisse – Treffer oder Nuller – für die Gesellschaft?
Beide h?tten ?hnlich weitreichende Folgen. Wenn wir in 15 Jahren wissen, dass Leben etwas sehr Seltenes ist und auf der Erde nur durch einen gigantischen Zufall entstanden ist, dann führt das vielleicht dazu, dass wir das Leben auf der Erde besser schützen als bisher. Mit einem solchen m?glichen Nullergebnis müssen wir uns auseinandersetzen. Wenn wir eine milliardenschwere Weltallmission planen, müssen wir auch sicherstellen, dass wir selbst dann, wenn wir kein Leben finden, zumindest etwas über das Leben im Weltraum lernen.
Angenommen, wir untersuchen 50 Exoplaneten und finden auf keinem davon Leben. Daraus k?nnen wir nicht schliessen, dass es nirgendwo im Weltall Leben gibt. Vielleicht finden wir es auf dem 51. oder 100. Exoplaneten.
Natürlich k?nnten wir genau den einen Planeten verpasst haben. Wenn wir allerdings auf 50 Planeten nichts gefunden haben, dann wissen wir: Leben ist viel seltener, als manche Optimisten heute glauben. Und wir k?nnten die Seltenheit in einer Zahl ausdrücken. Heute k?nnen wir das nicht, wir haben h?chstens ein vages Gefühl.
Was für ein Zahlenwert w?re das?
Die Berechnung der Wahrscheinlichkeit von Leben im All h?ngt von vielen Parametern ab. Wir wissen heute, wie viele Sterne es in unserer Galaxie gibt und wie viele davon Planeten haben. Was wir noch nicht wissen: Auf wie vielen der Planeten, die die Voraussetzungen für Leben erfüllen, zum Beispiel in Bezug auf die Temperatur, gibt es Leben? Aus heutiger Sicht liegt der Wert dieses Parameters irgendwo zwischen null (wenn es kein Leben im Weltall gibt) und 100 Prozent (wenn Leben im All sehr h?ufig sein sollte). Wenn wir 50 Exoplaneten untersuchen, und ganz sicher sind, dass es auf keinem davon Leben gibt, k?nnten wir unseren Parameter stark eingrenzen: Der Anteil der Planeten w?re dann kleiner als 20 Prozent. Damit wüssten wir viel mehr als heute.
Beide Missionen – Life und HWO – befinden sich noch im Konzeptstadium. Es ist unklar, ob Wissenschaftler:innen damit jemals 50 Planeten untersuchen werden. Was ist, wenn es aus technischen oder finanziellen Gründen nur für 30 oder gar nur 15 Planeten reicht?
Dann wird man den Parameter weniger gut eingrenzen k?nnen. Bei 30 untersuchten Planeten k?nnte man sagen, dass der Anteil der Planeten mit Leben kleiner als 30 Prozent ist. Bei 15 untersuchten Planeten k?nnte man sagen, dass der Anteil kleiner als 50 Prozent ist. Die Anzahl der untersuchten Exoplaneten und die Aussagekraft eines Nullergebnisses h?ngen direkt zusammen. Das ist auch für unser Projekt des Weltraumteleskops Life wichtig.
Wovon h?ngt ab, wie viele Planeten man in diesen Missionen untersuchen kann?
Es gibt nur eine begrenzte Anzahl sonnen?hnlicher Sterne in unserer N?he, die erd?hnliche Planeten haben k?nnen. Je mehr Exoplaneten wir untersuchen wollen, desto gr?sser müssen unsere Teleskope sein. Wenn ich für meine Fragestellung nur 20 Exoplaneten untersuchen muss, reichen Teleskope mit zwei Metern Durchmesser. Wenn ich aber 50 Exoplaneten untersuchen will, brauche ich solche mit fünf Metern Durchmesser. Für das Projekt Life stellt sich diese Frage genau jetzt, wo die Technologieentwicklung beginnt und die ersten Entscheidungen getroffen werden müssen. Man kann sich das vorstellen wie ein Tennisspiel zwischen Wissenschaftlern und Ingenieuren: Die Wissenschaftler sagen, was n?tig ist, um ihre Forschungsfragen beantworten zu k?nnen. Die Ingenieure sagen, was mit welchem Aufwand m?glich ist. Deshalb kommt unsere Studie zum richtigen Zeitpunkt.
Zwei Vorschl?ge für Weltraummissionen
Unter dem Namen externe Seite Life (Large interferometer for exoplanets) treiben Forschende unter der Leitung der ETH Zürich ein Konzept für eine zukünftige europ?ische Weltraummission voran. Das externe Seite Habitable Worlds Observatory (HWO) ist ein Projekt der amerikanischen Weltraumbeh?rde Nasa. Beide Projekte zielen darauf ab, Licht und W?rmestrahlung von potenziell lebensfreundlichen Exoplaneten direkt zu beobachten. Daraus sollen Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Atmosph?re sowie auf eine m?gliche biologische Aktivit?t auf den Exoplaneten gezogen werden.
Dabei kommen zwei Ans?tze zum Einsatz: Einerseits sucht man in der Atmosph?re der Planeten nach Molekülen, die von Lebewesen produziert werden. Wenn sich Sauerstoff, Methan oder eines der bekannten Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen in der Atmosph?re anreichert, deutet das auf Leben hin. Beim zweiten Ansatz suchen die Forschenden nicht nach bestimmten Molekülen, sondern sie analysieren das chemische Gleichgewicht in der Atmosph?re als Ganzes. Weicht die beobachtete molekulare Zusammensetzung stark von einem erwarteten Gleichgewichtszustand ab, muss etwas das Gleichgewicht st?ren. Vielleicht sind es Lebewesen und ihr Stoffwechsel, die dies tun.
Life und HWO arbeiten in unterschiedlichen, sich erg?nzenden Wellenl?ngenbereichen: Life sieht einen Verbund von fünf Satelliten vor, die zusammen ein Weltraumteleskop bilden. Dieses analysiert die W?rmestrahlung von Exoplaneten im mittleren Infrarotbereich. HWO setzt auf ein grosses Weltraumteleskop, das Licht vom ultravioletten über den sichtbaren bis zum nahen Infrarotbereich analysiert. Beide Projekte sind derzeit in der Entwicklungsphase. Konkrete Starttermine der Missionen stehen noch nicht fest.
Literaturhinweis
Angerhausen D, Balbi A, Kova?evi? AB, Garvin EO, Quanz SP: What if we Find Nothing? Bayesian Analysis of the Statistical Information of Null Results in Future Exoplanet Habitability and Biosignature Surveys. Astronomical Journal, 7. April 2025, doi: externe Seite 10.3847/1538-3881/adb96d