Wie menschliche Zellen Erbgutschäden flicken

Das Erbgut menschlicher Zellen, die DNA, umfasst eine Abfolge von rund 3,1 Milliarden Bausteinen. Um die Integrit?t dieses riesigen Informationstr?gers zu wahren, betreiben Zellen einen enormen Aufwand. Dauernd m¨¹ssen sie etwa Knoten im DNA-Strang entwirren. Oder neue chemische Verbindungen kn¨¹pfen, wenn irgendwo im Zellkern ein DNA-Faden reisst. ?Wenn es um Reparaturen am Erbgut geht, denken viele zuerst an eine Reaktion auf Belastungen durch Gifte oder Strahlung?, sagt Jacob Corn, Professor f¨¹r Genombiologie an der ETH Z¨¹rich. Doch Reparaturmechanismen sch¨¹tzen nicht nur vor ?usseren Gefahren. Sie spielen auch f¨¹r das allt?gliche ?berleben der Zellen eine wichtige Rolle.

Unmenge neuer gegenseitiger Abh?ngigkeiten

Aus fr¨¹heren Arbeiten war der Wissenschaft bekannt, dass mehr als 500 Gene (der rund 20¡®000 menschlichen proteinkodierenden Gene) f¨¹r die DNA-Reparatur zentral sind. Nun haben Corn und sein Team mit einer umfassenden Analyse der Wechselwirkungen dieser Gene neue grundlegende Einblicke gewonnen, wie Zellen ihr Genom intakt erhalten. Die Forschenden haben eine Unmenge neuer gegenseitiger Abh?ngigkeiten entdeckt. Und dabei auch potenzielle neue Angriffspunkte f¨¹r die Krebstherapie identifiziert, wie sie in ihrem Beitrag festhalten, der soeben in der Fachzeitschrift Nature erschienen ist.

F¨¹r ihre Untersuchungen haben die Forschenden menschliche Zellen in Zellkulturen gentechnisch ver?ndert, um jeweils zwei der Reparaturgene gleichzeitig auszuschalten. ?Wir sind systematisch vorgegangen und haben uns alle m?glichen Kombinationen angesehen?, sagt Corn. Das ist schneller gesagt als getan, denn insgesamt haben die Forschenden fast 150¡®000 verschiedene Kombinationen von inaktivierten Genpaaren untersucht. ?Es gab viel zu tun?, sagen John Fielden und Sebastian Siegner, die beiden Erstautoren dieser Studie.

?Menschliche Zellen lieben Redundanz?

Die Idee hinter dieser Bestrebung ist, dass es meist nicht gen¨¹gt, ein einzelnes Gen zu inaktivieren, um einen Effekt festzustellen. Denn oft ¨¹bernimmt ein anderes Gen die fehlende Funktion ¨C und kann so den Ausfall kompensieren. ?Menschliche Zellen lieben Redundanz?, sagt Corn. Erst wenn man auch das Backup lahmlegt, verlieren die Zellen die F?higkeit, das Erbgut zu flicken. Dadurch reichern sich mit der Zeit immer mehr Sch?den an, so dass die Zellen irgendwann nicht mehr lebensf?hig sind.

Das war in rund 5000 inaktivierten Genpaaren der Fall. In ihrem Beitrag beschreiben die Forschenden f¨¹r zwei solcher Gen-Paare detailliert, welche molekularen Interaktionen ausfallen. So decken die Forschenden in ihren Untersuchungen Verbindungen auf, die bis anhin v?llig unbekannt waren, offenbar aber f¨¹r das Gedeihen der Zellen absolut notwendig sind.

Krebsmutationen mit Angriffspunkten verkn¨¹pfen

Neben solchen grundlegenden Erkenntnissen liefern die Arbeiten der Forschenden auch neue Anhaltspunkte f¨¹r die Krebstherapie. Denn Krebszellen weisen im Vergleich zu normalen Zellen mehr Mutationen auf. In manchen Krebszellen sind aus diesem Grund schon einige der ¨¹ber 500 Reparatur-Gene ausgeschaltet. ?Mit unserer Suche haben wir aufgezeigt, welche zus?tzlichen Gene inaktiviert werden m¨¹ssen, um das Wachstum der Krebszellen zu unterbinden?, sagt Fielden.

Im Beitrag listet das Team eine ganze Reihe von bisher unerforschten Verkn¨¹pfungen zwischen h?ufigen Krebsmutationen und molekularen Angriffspunkten auf, die mit Medikamenten blockiert werden k?nnen. Diese neu entdeckten potenziellen Schwachstellen von Krebszellen gilt es nun zu testen. ?Wir haben aufgezeigt, welche Wege durch den dunklen Wald f¨¹hren?, sagt Corn. ?Jetzt ist es ein Leichtes, diese Wege abzuschreiten.? Er und sein Team haben auch eine neue Web-Plattform (http://spidrweb.org) geschaffen, auf der ihre Resultate ?ffentlich zug?nglich sind. ?Wir hoffen, dass andere Forschende davon profitieren und die Plattform rege nutzen?, sagt Corn. Das w¨¹rde dazu beitragen, dass das neue Wissen um die genetischen Wechselwirkungen m?glichst bald schon Fr¨¹chte tr?gt.

Die Forschungsarbeiten wurden unter anderem durch den  Schweizerischen Nationalfonds SNF finanziert und geh?ren zum DDREAMM-Projekt, das vom Europ?ischen Forschungsrat ERC gef?rdert wird.