Wenn sich ein Spermium zu einer Eizelle durchgeschlagen hat, um sie zu befruchten, müssen sich die beiden richtig fest aneinanderhalten. Dies geschieht über eine Proteinverbindung, die zu den st?rksten in der Biologie z?hlt – und darüber hinaus einzigartig ist.
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In Kürze
- Eizelle und Spermium sind bei der Befruchtung unter anderem über zwei bestimmte Proteine miteinander verbunden.
- Diese Verbindung ist speziell, wie Forschende nun zeigten. Denn wenn man die Verbindung mit Zugkr?ften belastet, wird sie entgegen der Intuition nicht schw?cher, sondern st?rker.
- Eine bestimmte Ursache von Unfruchtbarkeit geht einher mit einer Ver?nderung in einem dieser Proteine.
- Neue Einblicke k?nnten nun helfen, Diagnostiktests und Unfruchtbarkeitsbehandlungen zu entwickeln.
Eine Eizelle und ein Spermium müssen sich im Eileiter fest aneinanderhalten, damit sie verschmelzen k?nnen und als Folge davon ein neues Lebewesen entsteht. Eine zentrale Rolle spielen dabei das Protein Juno auf der Zellmembran der Eizelle und das Protein Izumo auf dem Spermium. Forschende der ETH Zürich und der Universit?t Basel konnten nun zeigen: Die Verbindung der beiden Proteine ist speziell – und eine der st?rksten, die in der Welt der vielzelligen Lebewesen bisher bekannt ist.
Damit es ein Spermium überhaupt bis zur Zellmembran der Eizelle schafft, muss es kr?ftig arbeiten. Angetrieben von seinem Flagellum, dem rotierenden peitschen?hnlichen Fortsatz, k?mpft es sich zun?chst durch zwei Schutzschichten, die die Eizelle umgeben.

Hat das Spermium das geschafft und ist es an der Zellmembran der Eizelle angekommen, geht es darum, sich dort festzuhalten und Zeit zu gewinnen. Diese wird ben?tigt, weil die Membranen von Eizelle und Spermium umorganisiert werden müssen, sodass sie flexibler werden und miteinander verschmelzen k?nnen. Ausserdem müssen für die Fusion wichtige Membranproteine am richten Ort zusammengebracht werden. W?hrend Minuten schl?gt hinten am Spermium das Flagellum wild umher, und vorne sorgt das Proteinpaar Juno–Izumo mit seiner starken Verbindung dafür, dass sich das Spermium nicht wieder von der Eizelle l?st.
Fingerhakeln im Nanomassstab
Die Forschenden aus Zürich und Basel haben die beiden Proteine Juno und Izumo genauer unter die Lupe genommen. Sie taten dies losgel?st von Eizelle und Spermium: Im Labor spannten sie je ein Juno- und ein Izumo-Protein in ein Rasterkraftmikroskop und massen so, wie gut sich die beiden aneinander festhalten k?nnen, wenn man an ihnen zieht. Das Messprinzip ist ?hnlich, wie wenn zwei Menschen den Mittelfinger einhakeln und dann ziehen, bis die Verbindung reisst.
Die Wissenschaftler:innen zeigten auf diese Weise: Juno und Izumo verhalten sich anders als die Mehrheit der bekannten Proteinpaare, die nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip eine Verbindung eingehen. Solche Proteinverbindungen halten grunds?tzlich nicht ewig. Und bei den meisten ist es so, dass sie kürzer halten, je st?rker daran gezogen wird.
Bei Juno und Izumo ist es anders. ?Unter Zugkr?ften, wie sie vom Spermium erzeugt werden k?nnen, wird die Bindung nicht etwa weniger stabil, sondern stabiler?, erkl?rt Viola Vogel, Professorin am Departement für Gesundheitswissenschaften und Technologie der ETH Zürich. ?Die Bindung h?lt somit unter Zugkraft sogar l?nger als ohne Krafteinwirkung.? Die Forschenden sprechen in diesem Fall auf Englisch von einer Catch Bond – einer durch Zugkraft verst?rkten Verbindung.
Vogel und ihre Mitarbeitenden führten ihre Studie zusammen mit der Gruppe von Michael Nash durch, Professor am Departement für Biosysteme der ETH Zürich in Basel und an der Universit?t Basel.
Eine der st?rksten Verbindungen
Durch Modellrechnungen am Nationalen Hochleistungsrechenzentrum CSCS in Lugano konnten die Forschenden ausserdem zeigen, wie der Catch-Bond-Mechanismus der beiden Proteine funktioniert: Wenn die Proteine auseinandergezogen werden, reissen zwar einige Verbindungen zwischen Atomen auf dem einen Protein mit Atomen auf dem anderen Protein. Gleichzeitig drehen sich die beiden Proteine durch das Auseinanderziehen aber relativ zueinander – das Protein Juno vollzieht eine Vierteldrehung. Dadurch entstehen neue Atom-Atom-Bindungen. Sie verl?ngern die Zeit, in der die beiden Proteine miteinander verbunden bleiben.
Die Messungen der Forschenden zeigten: Unter Zug ist die Verbindung von Juno und Izumo sogar eine der st?rksten, die es im Reich der mehrzelligen Organismen gibt. ?hnlich starke Verbindungen gibt es zwischen Proteinen in Muskelfasern, die verhindern, dass die Muskelfasern reissen. Auch andere Zellen, die im K?rper an Oberfl?chen anhaften müssen, tun dies mit Proteinen, die Catch Bonds bilden. So etwa Immunzellen, die sich an der Innenseite von Blutgef?ssen festhalten, oder bei der Wundheilung neugebildete Hautzellen, die sich an Fasern der Wundumgebung festhalten.
Bekannte Mutation schw?cht die Protein-Verbindung
Schliesslich untersuchten die Forschenden auch die Folgen einer bekannten genetischen Mutation, von denen weltweit jede 600ste Frau betroffen ist. Bei diesen Frauen ist sowohl das Juno-Gen als auch das Juno-Protein in einem Baustein ver?ndert. Die Mutation steht im Verdacht, die Fruchtbarkeit zu reduzieren.
Die Wissenschaftler:innen untersuchten im Labor und mit Computersimulationen auch entsprechend ver?nderte Proteine und konnten zeigen: Bei Zugkr?ften, wie sie beim Flagellenschalg des Spermiums vorkommen, bricht eine Verbindung mit einem ver?nderten Protein schneller auf. ?Das gibt dem Spermium und der Eizelle nicht ausreichend Zeit, um ihre Fusion und somit eine Befruchtung einzuleiten?, erkl?rt Vogel.
Da der bisher vermutete Zusammenhang dieser Mutation mit Unfruchtbarkeit nun über einen Mechanismus erh?rtet wurde, k?nnten als n?chstes entsprechende Gentests entwickelt werden, um diese Unfruchtbarkeits-Ursache diagnostizieren zu k?nnen. Ausserdem k?nnten die Ergebnisse die Entwicklung von Therapien begünstigen, um Paaren den Kinderwunsch erfüllen.
Literaturhinweis
Boult S, Pacak P, Yang B, Liu H, Vogel V, Nash MA: Force-dependent reorganization and mechanostability of the Izumo1:Juno complex involved in human fertilization. Nature Communications 2025, doi: externe Seite 10.1038/s41467-025-62427-0