Elektrolyse löst eines der grössten Altlastenprobleme
Forschende der ETH Zürich haben ein Verfahren entwickelt, das Umweltgifte wie DDT und Lindan vor Ort unsch?dlich macht und in wertvolle Chemikalien umwandelt – ein Durchbruch für Altlastensanierung und nachhaltige Kreislaufwirtschaft.
In Kürze
Persistente organische Schadstoffe wie DDT oder Lindan belasten Umwelt und Menschen noch Jahrzehnte nach ihrem Einsatz.
ETH-Forschende haben ein neues elektrochemisches Verfahren entwickelt, das diese langlebigen Gifte vollst?ndig enthalogeniert und in wertvolle Industriechemikalien umwandelt.
Das Verfahren verwendet kostengünstige Ger?te, verhindert Nebenreaktionen und kann auf kontaminierten Deponien, B?den oder Schl?mmen angewendet werden.
Mobile Anlagen k?nnten künftig vor Ort eingesetzt werden – ein wichtiger Schritt für Altlastensanierungen und eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft.
Sie galten einst als Wundermittel – Insektizide wie Lindan oder DDT, die im 20. Jahrhundert millionenfach produziert und eingesetzt wurden. Doch was als Fortschritt gefeiert wurde, führte zu einer globalen Umweltkatastrophe: Persistente organische Schadstoffe (POPs) sind chemisch so stabil, dass sie jahrzehntelang in B?den, Gew?ssern und Lebewesen verbleiben. Sie reichern sich im Fettgewebe von Tieren an und gelangen so in die menschliche Nahrungskette. Viele dieser Substanzen wurden l?ngst verboten, doch ihre Spuren finden sich noch heute – sogar im menschlichen Blut.
Die Sanierung solcher Altlasten in B?den, Gew?ssern und Deponien ist eine der grossen offenen Fragen des Umweltschutzes. Wie lassen sich hochstabile Gifte unsch?dlich machen, ohne neue Probleme zu schaffen? Forschende der ETH Zürich unter der Leitung von Bill Morandi, Professor für synthetische organische Chemie, haben nun einen vielversprechenden Ansatz gefunden. Mit einer neuartigen elektrochemischen Methode gelingt es ihnen, die langlebigen Schadstoffe nicht nur abzubauen, sondern sie in wertvolle Grundstoffe für die chemische Industrie umzuwandeln.
Schadstoffe werden zu Rohstoffen
Ein wesentlicher Unterschied zu früheren Arbeiten besteht darin, dass das Kohlenstoffgerüst der Schadstoffe recycelt und wieder verwertbar gemacht wird. Die Halogenidkomponenten werden als harmloses anorganisches Salz gebunden. ?Auch von einem energetischen Punkt aus betrachtet waren die bisherigen Methoden ineffizient?, sagt Patrick Domke, Doktorand in Morandis Gruppe, und erkl?rt: ?Die Verfahren waren kostspielig und führten trotzdem noch zu umweltsch?dlichen Resultaten.?
Gemeinsam mit dem Elektrochemie-Spezialisten Alberto Garrido-Castro, früherer Postdoc in dieser Gruppe, entwickelte Domke ein Verfahren, das die betreffenden Schadstoffe vollst?ndig unsch?dlich macht. Dabei konnten die beiden Forschenden auf die langj?hrige Erfahrung von ETH-Professor Morandi zurückgreifen, der sich seit Jahren mit der Umwandlung solcher Verbindungen besch?ftigt. ?Der entscheidende Durchbruch gelang mit dem Einsatz von Wechselstrom bei der Elektrolyse. Sie spaltet die Halogenatome ab, wobei harmlose Salze wie NaCl (Kochsalz) und gleichzeitig wertvolle Kohlenwasserstoffe erzeugt werden?, erkl?rt Morandi.
Gifte zerlegen mit Strom
Die Elektrolyse erm?glicht eine nahezu vollst?ndige Enthalogenierung der Schadstoffe unter milden, umweltfreundlichen und kosteneffizienten Bedingungen. Sie spaltet die stabilen Kohlenstoff-Halogen-Bindungen. Zurück bleiben lediglich harmlose Salze wie Kochsalz sowie nützliche Kohlenwasserstoffe wie Benzol, Diphenylethan oder Cyclododecatrien. Diese sind wiederum gefragte Zwischenprodukte in der chemischen Industrie, etwa für Kunststoffe, Lacke, Beschichtungen oder pharmazeutische Anwendungen. Damit leistet die Technologie nicht nur einen Beitrag zur Sanierung von Altlasten, sondern auch zur nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.
?Was unser Verfahren technisch so besonders macht: Wir haben es geschafft, Wechselstrom zu nutzen, also ganz normalen Haushaltsstrom. Eine billigere Ressource gibt es in der Chemie eigentlich nicht?, erkl?rt Garrido-Castro. ?Zudem schützt Wechselstrom die Elektroden vor Verschleiss, weswegen wir sie für viele nachfolgende Elektrolysezyklen wiederverwenden k?nnen. Ausserdem unterdruckt der Wechselstrom unerwünschte Nebenreaktionen oder die Entstehung von giftigem Chlorgas, sodass die Schadstoffe vollst?ndig in anorganische Salze umgewandelt werden k?nnen?. Der von den Forschenden verwendete Reaktor besteht aus einer ungeteilten Elektrolysezelle, wobei Dimethylsulfoxid (DMSO) als L?sungsmittel eingesetzt wird, das selbst wiederum ein Nebenprodukt des Zellstoffprozesses bei der Papierherstellung ist.
Kreislaufwirtschaft zu Ende gedacht
Angewendet werden kann das Verfahren nicht nur auf Reinstoffe, sondern auch auf Gemische aus kontaminierten B?den. Erde oder Schlamm kann also ohne Vorreinung oder weitere Trennverfahren behandelt werden. Ein Prototyp des Reaktors wurde bereits erfolgreich an klassischen Umweltgiften wie Lindan und DDT getestet. ?Unsere Anlage ist mobil und l?sst sich vor Ort zusammenbauen. Somit entf?llt der Transport der gef?hrlichen Stoffe?, erkl?rt Domke.
?Wir wollten eines der gr?ssten Umweltprobleme des letzten Jahrhunderts l?sen. Es kann nicht sein, dass man den Schmutz den künftigen Generationen überl?sst.?Alberto Garrido-Castro![]()
Spark Award 2025 – diese Projekte sind im Final?
Am 27. November 2025 verleiht die ETH Zürich am ETH Zürich @ Open-i zum 14. Mal den Spark Award für die beste Erfindung des Jahres. Die Kriterien dafür sind Originalit?t, Patentst?rke und Marktpotenzial.??
Hier finden Sie alle Spark Award Nominierten des Jahres 2025.?
Spark Award Zeremonie, Industry Day @ Open-I, Donnerstag, 27. November 2025, 13.30 Uhr, Kongresshaus Zürich. Eine Anmeldung ist erforderlich.?