Anthony Patt, wie bringen wir in der Schweiz die E-Mobilität in Fahrt?
Auf Schweizer Strassen sind erst wenige Autos rein elektrisch unterwegs, und die Flotte w?chst noch langsam. Neue Steuern auf E-Autos dürften den Umstieg künftig bremsen. Anthony Patt erkl?rt, wie man die Mobilit?tswende dennoch beschleunigen k?nnte.
Die Schweiz will den Strassenverkehr elektrifizieren, um klimaneutral zu werden. Aus meiner Sicht ist das richtig – und zwar nicht, weil ich selbst gerne E-Mobil fahre, sondern weil ich zu diesem Thema forsche und mit Gewissheit sagen kann, dass die Elektromobilit?t der sauberste, günstigste und praktischste Weg ist, um die CO2-Emissionen im Personenverkehr bis 2050 auf Netto-Null zu senken.
Elektroautos werden zusehends attraktiver: Die Preise sinken. ?ber ihre Lebensdauer kosten E-Mobile bereits weniger als Verbrenner. Moderne Modelle haben genügend Reichweite. Trotzdem kommt die E-Mobilit?t hierzulande nur langsam in Gang.
Der Experte
Anthony Patt ist Professor für Klimaschutz und -anpassung an der ETH Zürich und forscht an Politikmassnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen. Er f?hrt seit Jahren Elektroauto.
Aktuell sind 5,2 Prozent aller Personenwagen reine E-Mobile. Bei den Neuzulassungen lag der Elektro-Anteil bis Ende September bei 21 Prozent – Tendenz steigend, aber unter dem Ziel des Bundes, wonach 2025 bereits die H?lfte aller Neuwagen elektrisch fahren sollte. Zum Vergleich: In D?nemark und Norwegen, die den Kauf von E-Mobilen stark f?rdern, liegt der Anteil bei über 60 respektive 90 Prozent.
Allerdings: Mehr F?rderung für E-Mobile kommt in der Schweiz derzeit kaum in Frage – bestehende Anreize werden eher abgebaut: Nach der Importsteuer 2024 plant der Bund ab 2030 eine neue Abgabe auf E-Autos mit dem Ziel, die Verkehrsinfrastruktur zu finanzieren, wenn die Ertr?ge aus der Mineral?lsteuer von Verbrennern versiegen.
Die neuen Steuern werden die Elektromobilit?t tendenziell bremsen. Ich schlage drei politische Massnahmen vor, um den Wechsel auf E-Mobile trotzdem zu beschleunigen.
Zun?chst gilt es, Hürden zu beseitigen. Die Schweiz verfügt zwar über ein gutes ?ffentliches Ladenetz. Aus Studien und eigener Erfahrung weiss ich jedoch: Wirklich praktisch sind E-Mobile erst dann, wenn man sie zuhause über Nacht aufladen kann. Fehlt diese M?glichkeit, macht ein E-Mobil wenig Sinn. Das ist oft bei Mieterinnen und Mietern der Fall, die über keinen eigenen Parkplatz verfügen.
Das Problem: Bisher gab es in der Schweiz kein Recht auf Laden. Ein Solches erlaubt es Mietenden, beim Hauseigentümer die Installation einer Ladestation einzufordern. Doch nun tut sich was: Diesen Sommer hat das Parlament den Bedarf erkannt und den Bundesrat beauftragt, ein Gesetz für das Recht auf Laden auszuarbeiten.
Weiter sollte es priorit?r darum gehen, den Elektro-Anteil bei Neuwagen m?glichst rasch zu erh?hen. Das geht auch ohne direkte F?rderung. Mit den CO2-Emissionsvorschriften für Neufahrzeuge, die die Schweiz von der EU übernimmt, hat die Politik ein effektives Mittel, um die Zulassung neuer Benzin- und Dieselautos zugunsten klimaneutraler Fahrzeuge zu drosseln. Die EU will die Grenzwerte bis sp?testens 2035 auf Null Gramm CO2 pro Kilometer absenken. Doch es geht auch schneller: Norwegen will das Verbrenner-Aus noch dieses Jahr erreichen, D?nemark und Schweden peilen 2030 an.
2030 w?re aus meiner Sicht auch für die Schweiz erstrebenswert. Ein früheres Verkaufsende deutlich vor 2035 erh?ht die Planungssicherheit und senkt das Risiko von Abschreibern. ?ber ein Drittel aller Neufahrzeuge bleibt l?nger als 15 Jahre auf der Strasse.
Energy Week @ETH 2025
Die Elektromobilit?t und ihre Rolle in der Energiewende sind auch Thema an der Energy Week @ ETH 2025, die vom 10. bis 14. November unter dem Motto ?Energiezukunft gemeinsam verantworten? an der ETH Zürich stattfindet.
Mit Blick aufs Klima macht es Sinn, alte Benzin- und Dieselautos nach Verkaufsende rasch aus dem Verkehr zu ziehen. Eine Idee w?re, das Programm zur Klimakompensation von Treibstoffen umzunutzen: Heute müssen Importeure einen Teil der CO2-Emissionen über Kompensationsprojekte reduzieren – es wird aber immer schwieriger, geeignete Projekte zu finden.
Künftig k?nnte man stattdessen Anreize finanzieren, um Verbrenner früher auszumustern und durch ein Elektroauto zu ersetzen. Eine solche Abwrackpr?mie würde Emissionen im Inland senken und k?nnte helfen, ab 2030 die geplante Abgabe für den Ersatz der Mineral?lsteuer abzufedern.
Vom ?Zukunftsblog? zu ?Perspektiven?
Der Zukunftsblog erhielt ein Fresh-up und heisst neu Perspektiven. Auf der Autor:innen-Plattform der ETH Zürich beantworten Expertinnen und Experten der Hochschule gesellschaftsrelevante Fragen und ordnen aktuelle Themen ein.
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