Hummelgenom entschlüsselt

Eine Kollaboration von Forschenden unter ETH-Federführung hat das Genom von zwei kommerziell bedeutenden Hummelarten aufgekl?rt. Die Resultate bieten unerwartete Einblicke in ?kologie und Evolution der Hummeln und auch der Honigbiene.

Vergr?sserte Ansicht: Genetischer Code und Hummel
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben den genetischen Code der Erdhummel vollst?ndig entschlüsselt. (Bild: ETH Zürich)

Hummeln gelten als friedfertig und fleissig. Nicht zuletzt seit es weltweit mit der Honigbiene bergab geht, ist der kommerzielle Wert dieser Insekten gestiegen. So werden sie heute im grossen Stil gezüchtet und als Best?uberinnen von Nutz- und Kulturpflanzen eingesetzt. Doch auch um die putzigen Brummer, von denen es weltweit 250 verschiedene Arten gibt, steht es mancherorts schlecht. Der grosse Schatten, den das Bienensterben warf, verdeckte die Tatsache, dass in den USA und auch anderswo einige h?ufige Hummelarten in den vergangenen Jahren ebenfalls selten geworden sind oder aus ganzen Landstrichen komplett verschwanden.

Nicht zuletzt deshalb initiierten die beiden ehemaligen ETH-Forscher Seth Barribeau und Ben Sadd, zusammen mit Professor Paul Schmid-Hempel aus der Gruppe für Experimentelle ?kologie  vor acht Jahren ein Hummel-Genom-Projekt. Es hatte zum Ziel, das Erbgut von zwei kommerziell bedeutenden Hummelarten, der europ?ischen Erdhummel, Bombus terrestris, und der amerikanischen Bombus impatiens, zu entschlüsseln. Die Genomdaten, so hofften die Forschenden, sollten Aufschluss geben über Biologie, ?kologie und Evolution der Hummeln.

Immungene analysiert

Ein besonderes Augenmerk richteten Barribeau, Sadd und 80 weitere Forschende aus der ganzen Welt auf die Gene, die zum Immunsystem geh?ren. An der Arbeit beteiligten sich Evolutionsbiologen, ?kologinnen, Bioinformatiker und Genetikerinnen. Zudem verglichen die Forschenden bereits entschlüsselte Genome anderer Insekten, wie der Honigbiene, einer Erzwespe und der Essigfliege Drosophila melanogaster, mit denen der beiden Hummeln. Die Resultate ihrer Studien ver?ffentlichten die Wissenschaftler soeben in der Fachzeitschrift ?Genome Biology?.

Vergr?sserte Ansicht: Bombus terrestris
Die europ?ische Erdhummel Bombus terrestris. (Bild: Dave Young, flickr.com CC BY 2.0)
Vergr?sserte Ansicht: Apis mellifera
Die Honigbiene Apis mellifera ist stark sozial organisiert. (Bild: A.Trepte / Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.5)
Vergr?sserte Ansicht: Bombus impatiens
Im Osten der USA verbreitet: Bombus impatiens. (Bild: Mary Kelm, flickr.com CC BY-NC-SA 2.0)
Vergr?sserte Ansicht: Nasonia vitripennis
Die parasitische Erzwespe Nasonia vitripennis ist eine Einzelg?ngerin. (Bild: M.E.Clark/Wikimedia Commons)

Die Genome der beiden Hummeln gleichen einander stark und enthalten rund 20‘000 verschiedene Gene auf 18 Chromosomen. Davon entf?llt nur ein geringer Anteil auf Gene, die in die Immunantwort involviert sind, wie die Wissenschaftler herausfanden: Das Genrepertoire für das Immunsystem umfasst bei beiden Hummelarten nur rund 150 Gene. Das sind verglichen mit Fliegen oder Mücken ziemlich wenige: Drosophila hat doppelt so viele. Allerdings haben auch die Honigbiene und die Erzwespe Nasonia nur ein kleines Immun-Gen-Repertoire.

Sozialorganisation spielt k(l)eine Rolle

Weshalb die sozial verh?ltnism?ssig schwach organisierten Hummeln ebenso wenige Immun-Gene haben wie die Honigbienen mit ihrer hohen sozialen Organisation, ist für Paul Schmid-Hempel r?tselhaft. Bisher sei die Forschung davon ausgegangen, dass sich Insekten mit hoher sozialer Organisation ein schw?cheres Immunsystem leisten k?nnen, sagt er. Umgekehrt würde ein simples Sozialsystem st?rkere k?rpereigene Abwehr erfordern. Die bisherige Theorie nahm also an, dass hochsoziale Insekten andere M?glichkeiten zur Abwehr von Keimen haben als die Immunabwehr, etwa die gegenseitige K?rperpflege bei Bienen.

Schmid-Hempel kann sich vorstellen, dass dieses schwache Immunsystem der Bienen und Hummeln mit ihrer Nahrung zusammenh?ngen k?nnte: W?hrend Fliegen wie die Essigfliege Drosophila melanogaster Nahrung auf mit Bakterien und Pilzen verunreinigten Oberfl?chen wie verfaulten Früchten aufnehmen, k?nnen Bienen diesbezüglich saubere Nahrungsquellen, die Blüten von Pflanzen, anfliegen. Das dürfte das Infektionsrisiko und damit den Selektionsdruck für ein gut ausgebautes Immunsystem betr?chtlich senken.

Doch nicht nur das schwache Immunsystem dürfte Hummeln (und Honigbienen) in der heutigen Zeit das Leben schwer machen: Die Forscher konnten auch nur wenige Gene identifizieren, die die Entgiftung des K?rpers regeln. Dies k?nnte laut Schmid-Hempel dafür sprechen, dass diese Insekten auf Umweltgifte wie Pestizide aus der Landwirtschaft sensibel reagieren.

Genunterschiede machen ?kologie sichtbar

Die Genomanalysen zeigen aber auch deutliche Unterschiede zwischen Bienen und Hummeln. So haben Hummeln mehr Gene, die der Geschmacksbildung dienen, Bienen mehr solche, die zum Geruchssinn beitragen.

Dies macht Sinn: Hummeln vertrauen bei der Nahrungssuche auf ihren Geschmack, testen quasi jede Blüte, die sie anfliegen, mit ihrer Zunge. Honigbienen vertrauen hingegen auf ihren Geruchssinn, um die richtige Nahrung zu finden. Auch beim Schw?nzeltanz, mit dem eine Biene ihren Artgenossinnen gute Nahrungsquellen mitteilt, spielt der Geruchssinn die tragende Rolle. ?In den Genen l?sst sich dieser fundamentale Unterschied in der Lebensweise der beiden Organismen deutlich erkennen?, so Schmid-Hempel.

Keine ?Sozialgene?

Zu ihrer ?berraschung konnten die Forscher der sozialen Organisation und dem Sozialverhalten vergleichsweise wenige spezifischen Gene zuordnen. ?Die Gene dafür sind bei Hummeln und Bienen nicht sehr verschieden?, so Schmid-Hempel. Dafür entdeckten die Wissenschaftler bei diesen Insekten komplett verschiedene S?tze von sogenannten Mikro-RNAs, also winzigen Schnipseln von Ribonukleins?uren. Diese miRNAs regulieren Gene, indem sie Gen-Abschriften, die in den Zellen als Bauplan von Proteinen dienen, blockieren. Erst diese Art der Gen-Regulation macht aus einem ?normalen? wenig sozialen Insekt wie der Hummel ein  hochsoziales Wesen wie die Honigbiene.

Literaturhinweis

Sadd BM, Barribeau SM, Bloch G, de Graaf DC, Dearden P, Elsik CG, et al.: The genomes of two key bumblebee species with primitive eusocial organization. Genome Biol 2015, 16:76

Barribeau SM, Sadd BM, du Plessis L, Brown MJF, Buechel SD, Cappelle K, et al.: A depauperate immune repertoire precedes evolution of sociality in bees. Genome Biol 2015, 16:83 externe Seite 10.1186/s13059-015-0628-y

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