«Wer CO₂ speichert, trägt soziale Verantwortung»
Der Pioneer Fellow Edoardo Pezzulli entwickelt eine Software, die es erm?glicht, die CO2-Speicherung im Boden kontinuierlich zu überwachen und ihre Risiken zu reduzieren. Jetzt strebt er nach der Marktreife seiner Technologie.
- Vorlesen
- Anzahl der Kommentare

In Kürze
- Die Schweiz muss bis 2050 ihr Netto-Null-Klimaziel erreichen. Neben der CO2-Reduktion braucht es zus?tzlich Technologien, die Kohlendioxid aus der Atmosph?re entfernen und dauerhaft speichern.
- Edoardo Pezzulli, Pioneer Fellow der ETH Zürich, entwickelt eine Software zur ?berwachung und Optimierung der Lagerst?tten.
- Das Start-up storra tr?gt dazu bei, die Sicherheit der CO2-Speicherung mittels eines digitalen Zwillings kostengünstig zu steigern.
Mit zwei Mathematiker-Eltern konnte Edoardo Pezzulli nicht anders, als selbst Mathematik zu studieren. Als er fertig war, fragte er sich, was er damit machen will. ?Auf jeden Fall etwas Anwendungsorientiertes?, sagt Pezzulli entschlossen. Schon w?hrend des Masterstudiums war er auf die CO2-Speicherung gestossen und eine damalige Studie habe ihm die Augen ge?ffnet, dass sein mathematisches Wissen auch nützlich sein kann, um CO2-Emissionen zu reduzieren. Seitdem hat sich Pezzulli mehr mit Str?mungsdynamik und Geothermie auseinandergesetzt und kam vor acht Jahren an die ETH Zürich, um bei Thomas Driesner sein Doktoratsstudium zu machen. Vor 1,5 Jahren wurde dem Italiener dann ein Pioneer-Fellow-Stipendium zugesprochen. ?Dank diesem konnte ich meine Idee einer ?berwachungssoftware zur Kohlenstoffspeicherung weiterentwickeln?, sagt Pezzulli dankbar.
Der Mut, neue Wege zu gehen
Die gesamte Branche der Kohlenstoffabscheidung und -speicherung umfasst im Moment um die 800 Anlagen, die sich in verschiedenen Entwicklungsstadien befinden. Weltweit sind etwa 50 in Betrieb. ?Dass gerade so viele Anlagen entstehen, ist sehr aufregend. Die CO2-Speicherung hat in den letzten zwei Jahren rasant Fahrt aufgenommen?, sagt Pezzulli enthusiastisch. Ein starkes Zeichen für das enorme Potenzial dieses Marktes.
Die Risiken lassen sich eingrenzen
Zurzeit existiert in der Schweiz aber nicht einmal eine nationale Gesetzgebung, wie mit dem CO2, das hierzulande als Abfall behandelt wird, umgegangen wird. Bei der unterirdischen Speicherung liegen die gr?ssten Herausforderungen in den geologischen Unsicherheiten. Zum einen muss analysiert werden, wie viel CO2 in den jeweiligen Standort eingespeist werden kann; zum anderen muss die Speicherung bestm?glich überwacht werden, um sicherzustellen, dass das CO2 auch gebunden bleibt. ?Wer CO2 speichert, tr?gt soziale Verantwortung?, sagt der 31-j?hrige Italiener, und fügt hinzu: ?Die Anlagen müssen über Generationen hinweg sicher sein. Mit unserem ?berwachungssystem wollen wir beweisen, dass sich die Risiken in Grenzen halten und ein Betrieb auf h?chstem Sicherheitsniveau m?glich ist.?
Ein digitales Abbild unterirdischer Verh?ltnisse
Die von Edoardo Pezzulli entwickelte Software unterstützt sowohl die Planung als auch die ?berwachung. ?Dafür kombinieren wir verschiedene Lagerst?ttentechnologien und simulieren, wie sich Flüssigkeiten bewegen und sich die Geomechanik ver?ndert. Gerade letztere ist eine Schlüsselkomponente, wenn man die Risiken der CO2-Speicherung verstehen will?, sagt Pezzulli. Aus seinem Projekt ist mittlerweile ein Start-up namens storra geworden, bei dem auch der Maschinenbauingenieur Michael Liem als Co-Founder an Bord ist. ?Unser Produkt simuliert Druck-, Temperatur- und Belastungsbedingungen und funktioniert wie ein digitaler Zwilling, der die Daten überprüft und die beste ?berwachungsstrategie für die CO2-Speicherung festlegt?, erkl?rt Pezzulli.
Erstes Pilotprojekt in der Schweiz
Derzeit befindet sich die Software noch in der Entwicklung und soll in sechs bis zw?lf Monaten ausgereift sein. Stolz erz?hlt Pezzulli aber schon jetzt, Teil des Pilot- und Demonstrationsprojekts CITru in Trüllikon zu sein. Am dortigen Bohrloch, das von der Nagra (Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abf?lle) erstellt worden ist, findet derzeit eine Machbarkeitsstudie zur Einspeisung von CO2 in den Untergrund statt. Pezzulli ist verantwortlich für die Risikobewertung und die Ausarbeitung des ?berwachungsplans. ?Es ist eine fantastische Erfahrung, die praktischen Aspekte zu verstehen und zu erfahren, wie diese durch betriebliche Rahmenbedingungen beeinflusst werden?, resümiert Pezzulli.
CITru
Das Pilot- und Demonstrationsprojekt CITru prüft unter der Leitung der ETH Zürich die Machbarkeit einer CO2-Einspeisung durch ein stillgelegtes Bohrloch auf dem Gebiet der Gemeinde Trüllikon (ZH). Es ist das erste Projekt in der Schweiz, bei dem CO2 in den Untergrund eingespeist werden soll. Derzeit befindet es sich in der Erkundungsphase. Erweist sich das Vorhaben als ausreichend sicher, umweltvertr?glich und finanzierbar, würde frühestens 2027 die Umsetzungsphase mit der CO2-Einspeisung beginnen. Selbst wenn es zu keiner Einspeisung kommt, leistet CITru einen wertvollen Beitrag zu fundierten Entscheidungsgrundlagen.
Weitere Information
CITru Projektflyer?berwachungskosten um bis zu 80% senken
Im Moment sucht Pezzulli nach weiteren Pilotprojekten und würde sich über die Zusammenarbeit mit Geomodellierern, Geophysikern und Computerwissenschaftlern freuen. Mit storra quantifiziert und verringert er nicht nur die Risiken der Kohlenstoffspeicherung, sondern senkt auch deren ?berwachungskosten. Derzeit liegen diese bei 2 bis 5 Dollar pro Tonne gespeichertes CO2 und storra kann sie voraussichtlich auf unter einen Dollar senken. Das ist zwar ein Argument für das Produkt, aber keine Motivation für Pezzulli. ?Denn was uns wirklich motiviert, ist die tats?chliche Menge CO2, die wir der Atmosph?re entziehen. Wenn ich sagen k?nnte, dazu beizutragen, mehrere Millionen Tonnen pro Jahr sicher zu speichern, w?re ich glücklich. Schliesslich habe ich das Projekt gestartet, um soziale Verantwortung zu übernehmen. Jetzt ist es an der Zeit zu liefern und voranzukommen.?
Pioneer Fellowship Programm
Das Pioneer Fellowship ist ein umfassendes Unterstützungsprogramm, das innovativen Denker:innen ideale Bedingungen für den Beginn ihrer unternehmerischen T?tigkeit bietet. Das Programm richtet sich prim?r an Doktorierende, steht aber auch Masterstudierenden und Postdocs offen. Pioneer Fellows erhalten ein Stipendium von 180'000 Franken über 12 bis 18 Monate, zus?tzlich zu umfassendem Mentoring und Ausbildung. Die Pioneer Fellowships werden gemeinsam von der ETH Foundation und der ETH Zürich finanziert.