Rehabilitationstechnik – so filigran wie die menschliche Hand
Forschende der ETH Zürich entwickelten ein neuartiges Exoskelett für die Hand. Es unterstützt Patient:innen nach einem Schlaganfall, Greifbewegungen wiederzuerlernen. Mit seiner ziehharmonika?hnlichen Struktur ist es leicht, robust und einfach in den Alltag zu integrieren.?
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In Kürze
Viele Menschen leiden nach einem Schlaganfall unter einer Beeintr?chtigung der Handfunktion, was ihren Alltag erschwert.
Forschende der ETH Zürich entwickelten ein neuartiges Exoskelett, das Betroffenen hilft, allt?gliche Bewegungen wie das Greifen wieder zu erlernen.
Die Vorrichtung ist leicht und robust. Dank 3D-Druck l?sst es sich individuell anpassen und in grossen Stückzahlen produzieren.
Jedes Jahr erleiden weltweit über 12 Millionen Menschen einen Schlaganfall. Die Betroffenen sind oft langfristig beeintr?chtigt und müssen die einfachsten Dinge wiedererlernen, wie zum Beispiel das Greifen. Etwas nicht in die Hand nehmen zu k?nnen, beeintr?chtigt den Alltag und die Lebensqualit?t enorm. Exoskelette, also ?ussere Bewegungshilfen, die man am K?rper tr?gt, k?nnen die verlorenen F?higkeiten ausgleichen. Sie helfen, die Finger zu beugen und zu strecken, und kompensieren den Verlust der motorischen Funktionen. So tragen sie zur Genesung bei und unterstützen die Unabh?ngigkeit der Patienti:innen.
Ein Exoskelett so leicht wie ein Smartphone
In der Regel sind Exoskelette für die Hand sehr komplex, um die filigranen Bewegungen der Finger zu unterstützen. Oft sind sie sperrig, bestehen aus vielen mechanischen Bauteilen oder gehen schnell kaputt und sind unbequem zu tragen.
Natalie Tanczak, Doktorandin am Rehabilitation Engineering Laboratory (RELab) der ETH Zürich, hat ein Exoskelett entwickelt, das ohne Hydraulik- oder Pneumatikantrieb auskommt und mechanisch einfach aufgebaut ist. Motoren am Unterarm versetzen es in Bewegung. Die mittlerweile zum Patent angemeldete Vorrichtung hat mit 270 Gramm gerade mal das Gewicht eines Smartphones. Bis auf einen USB-Anschluss kommt sie ohne Kabel aus, die dem Bewegungsfluss im Weg w?ren, und die aus Nylon im 3D-Druck gefertigte Oberfl?chenstruktur ist angenehm zu tragen. ?Unser Exoskelett l?sst nach einem Schlaganfall ein intensives, pers?nliches Training zu?, erkl?rt Tanczak. ?Wir k?nnen Patienten helfen, ihre Bewegungsf?higkeit wiederzuerlangen, indem sie einfach ihre allt?glichen Dinge tun.?

?Es ist das eleganteste und kompakteste Design, das solche komplexen Bewegungen erm?glicht?, sagt Roger Gassert. Er leitet zusammen mit Olivier Lambercy das RELab, an dem schon mehrere frühere Prototypen des Hand-Exoskeletts entwickelt wurden. Die früheren Modelle kamen allerdings noch nicht an die Leichtigkeit und zugleich Robustheit heran. ?Die Sch?nheit der neuen Exoskelett-Finger liegt in ihrer Einfachheit. Andere Modelle bestehen aus unz?hligen Teilen. Unseres aus lediglich zwei?, sagt Lambercy.
Eines der beiden Bauteile ist eine Blattfeder aus rostfreiem Stahl. Sie muss einerseits steif genug sein, um einen angemessenen Widerstand zu bieten, anderseits aber auch biegsam. Die gr?sste Innovation liegt allerdings im zweiten Bauteil, einer ziehharmonika?hnlichen Aussenstruktur. Sie ist das Rückgrat, das es der Blattfeder erm?glicht, eine lineare Bewegung in eine senkrechte Greifkraft umzuwandeln, und steuert das Biegen und Strecken auf natürliche Weise.
Technik, die den Alltag zurückbringt
Auf der Suche nach einer geeigneten Form, die sich sowohl zusammenzieht als auch streckt, liess sich Tanczak von einer Ziehharmonika inspirieren. Daraus entwickelte sie die markante Struktur und stellte in Zusammenarbeit mit dem Ingenieur Jay Song ein einziges Bauteil her, durch das die Blattfeder gleitet. Der 3D-Druck erm?glicht es, das Exoskelett so anzupassen, dass es sich je nach Handgr?sse und Fingerl?nge perfekt an die Hand eines jeden Benutzers anpasst. Dies verst?rkt seine unterstützende Wirkung und den Komfort zus?tzlich.
Vom Finger bis zum Knie – Potenzial für viele Gelenke
Insgesamt drei Jahre hat Tanczak daran gearbeitet. Begonnen hat sie damit am Future Health Technologies Labor des Singapore-ETH Centre. Zur technischen Entwicklung kam sie ans RELab nach Zürich, wo sie auf die gesammelte Erfahrung in der Herstellung solcher Modelle zurückgreifen konnte. Mittlerweile hatte Tanczak die Chance, ihr Produkt in realer Umgebung zu testen. Sie begleitete acht Schlaganfallpatient:innen, die das Exoskelett über zw?lf Wochen benutzt haben, und sagt zu ihrer Erfahrung: ?Als Maschinenbauingenieurin freut es mich besonders, zu sehen, welche Auswirkungen die Technologie auf die Nutzer:innen hatte. Ihre Fortschritte waren enorm und ihre Dankbarkeit ist unbezahlbar.?
Nicht erst dadurch hat Tanczak gemerkt, welchen entscheidenden Unterschied Rehabilitationstechnik in der Wiedererlangung der Beweglichkeit spielen kann. Ihr Design der ziehharmonika?hnlichen Struktur k?nnte genauso gut zur Unterstützung des Ellbogens, der Knies oder jedes anderen Gelenks des menschlichen K?rpers eingesetzt werden – und das auf elegante Weise.
Spark Award 2025 – diese Projekte sind im Final
Am 27. November 2025 verleiht die ETH Zürich am ETH Zürich @ Open-i zum 14. Mal den Spark Award für die beste Erfindung des Jahres. Die Kriterien dafür sind Originalit?t, Patentst?rke und Marktpotenzial.
Hier finden Sie die Spark Award Siegerprojekte der Jahre 2012–2024.
Spark Award Zeremonie, Industry Day @ Open-I, Donnerstag, 27. November 2025, 13.30 Uhr, Kongresshaus Zürich. Eine Anmeldung ist erforderlich.