«Energiefragen lassen sich nur gemeinsam lösen»
Das Energy Science Center der ETH Zürich feiert sein 20-j?hriges Bestehen. Direktor Christian Schaffner blickt im Interview zurück auf die Anf?nge, pr?gende Momente und aktuelle Herausforderungen – und erkl?rt, warum die kommende Energy Week mehr ist als eine Fachveranstaltung.?
(Bild: Adobe Stock, bearbeitet)
Erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Tage am ESC?
Christian Schaffner: Sehr gut sogar. Als ich vor 13 Jahren von der Bundesverwaltung an die ETH wechselte, war das Energy Science Center praktisch inaktiv. In meinem Büro standen zwei, drei Ordner – das war’s. Es war aber genau diese Ausgangslage, die mich gereizt hat: ein Zentrum neu aufzubauen, das Energiefragen über Disziplingrenzen hinweg angeht.
Gegründet wurde das ESC bereits 2005. Was war damals die Motivation?
Einige Professorinnen und Professoren der ETH hatten früh erkannt, dass Energie ein zentrales, langfristiges Thema ist – und zwar nicht nur technisch, sondern auch gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch. Sie wollten ein Zentrum schaffen, das diesen interdisziplin?ren Ansatz strukturell verankert. Dazu geh?rte vor allem auch die emeritierten ETH-Professoren G?ran Andersson und Konstantinos Boulouchos, die das Zentrum mitgegründet hatten.
Was waren entscheidende Etappen in der Entwicklung des ESC?
Ein wichtiger Schritt war sicher die Mitgründung des Masterstudiengangs ?Energy Science and Technology? vor fast 20 Jahren. Dass auch die Lehre ein zentraler Bestandteil des ESC sein sollte, war von Anfang an ein Kernelement. Sp?ter folgte die Auseinandersetzung mit der Zukunft der Schweizer Energieversorgung nach Fukushima im Jahr 2011. Auch die Energiekrise nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat das Thema nochmals verst?rkt ins Zentrum gerückt.
Ereignisse wie diese verleihen Energiethemen eine neue Dringlichkeit. So ist auch das ESC gewachsen – personell, organisatorisch und inhaltlich. Heute arbeiten bei uns rund 18 Personen – in Forschung, Bildung, Koordination und Wissenschaftskommunikation. Besonders nennenswert ist dabei die Leitung interdisziplin?rer Projekte.
Christian Schaffner hat an der ETH Zürich Elektrotechnik studiert und im Bereich elektrische Energiesysteme promoviert. Vor seiner T?tigkeit am ESC war er beim Bundesamt für Energie t?tig, wo er die Sektion Netze leitete. Dort war Schaffner unter anderem für die Entwicklung einer Netz-Ausbaustrategie und einer Roadmap für intelligente Stromnetze zust?ndig. Zudem war er 2010 bis 2013 an den bilateralen Verhandlungen zwischen der Schweiz und der Europ?ischen Union über ein Energieabkommen beteiligt.
Wie tr?gt das ESC zur Vernetzung innerhalb der ETH bei?
Unsere Rolle ist es, Synergien sichtbar zu machen: Wir bringen Forschende verschiedener Disziplinen zusammen, wenn gesellschaftliche, politische oder industrielle Akteure neue Fragen aufwerfen. Dabei geht es auch darum, gemeinsame Projekte zu entwickeln oder F?rderantr?ge zu koordinieren. Das Ziel einer nachhaltigen, sicheren und zahlbaren Energieversorgung k?nnen wir nur gemeinsam erreichen, daher ist es so wichtig, themenübergreifende Forschungsprojekte zu lancieren und umzusetzen.
Sie haben auch ein Weiterbildungsprogramm ins Leben gerufen.
Ja, der Studiengang CAS ?Applied Technology in Energy? tr?gt entscheidend zur Vernetzung mit der Industrie bei. Er richtet sich an Personen aus der Wirtschaft, die sich technisches Grundverst?ndnis zu Energiethemen aneignen m?chten – auch ohne ingenieurwissenschaftlichen Hintergrund. Das Programm ist Teil eines Master of Advanced Studies in Applied Technology (MAS ETH AT).
Bildergalerie mit Eindrücken aus 20 Jahre ESC
Im Jahr 2017 brachte der erste Energy Day @ ETH Forschende, Studierende und Interessierte zusammen, um über die Schweizer Energiezukunft zu diskutieren (Bild: Tom Kawara / ETH Zürich)
Der interdisziplin?re Energie-Master des ESC feiert 2018 sein zehnj?hriges Bestehen. Damalige Rektorin Sarah Springman sowie ESC-Gründervater G?ran Andersson feiern mit Programm-Leiter Christian Franck sowie Christian Schaffner. (Bild: Energy Science Center / ETH Zürich)
Studierende w?hrend der ETH Week 2018 – Energy Matters. In interdisziplin?ren Teams entwickelten sie eigene Problemstellungen und L?sungsideen für eine nachhaltige Energiezukunft. Eine intensive und inspirierende Woche im Zeichen von Zusammenarbeit und Innovation. (Bild: Alessandro Della Bella / ETH Zürich)
Im Rahmen des Energy Day @ ETH 2019 nahmen Kantonsschüler:innen an einer ganzt?gigen Jugendenergiekonferenz teil. In einem kreativen Prozess entwickelten sie innovative L?sungsans?tze zu realen Fragestellungen aus der Industrie. (Bild: Alessandro Della Bella / ETH Zürich)
Blick von oben auf die Ausstellung der Energy Week @ ETH 2022. Zum ersten Mal organisierte das Energy Science Center (ESC) eine eigene Ausstellung, die eindrücklich aktuelle Forschung und Innovationen im Energiebereich pr?sentierte. (Bild: Alessandro Della Bella / ETH Zürich)
ETH-Studierende beim Design Thinking Workshop des Summer Graduate Symposium. In lebhaften Diskussionen, mit viel kreativem Basteln und unkonventionellen Ans?tzen, erarbeiteten sie gemeinsam innovative Ideen zu aktuellen Forschungsthemen. (Bild: Energy Science Center / ETH Zürich)
W?hrend der Energy Week @ ETH 2023 zeigten zw?lf grossformatige Banner innovative Forschungs- und Projektthemen rund ums Thema Energie. (Bild: Alessandro Della Bella / ETH Zürich)
Was ist eigentlich Energie und was ist Strom? Woher kommt unsere Energie heute und wie wird unser Energiesystem in Zukunft aussehen? Antworten darauf gab es an der Energy Week @ ETH 2024. (Bild: Alessandro Della Bella / ETH Zürich)
Das ESC organisierte 2025 zum zweiten Mal eine einw?chige Summer School im Tessin. Mit dabei: wissbegierige Studierende aus aller Welt sowie Forschende und Fachleute, die Einblicke in ihre Forschungs- und Unternehmensbereiche bieten. (Bild:Gianfranco Guidati / ETH Zürich)
Welche Themen besch?ftigen das ESC besonders intensiv?
Im Zentrum steht die Frage: Wie erreichen wir eine sichere, bezahlbare und klimavertr?gliche Energieversorgung? Das bedeutet: Elektrifizierung von W?rme und Verkehr, Ausbau erneuerbarer Energien und ein Energiesystem, das Schwankungen ausgleicht und die Netze entlastet.
Im Forschungsprojekt PATHFNDR, gef?rdert durch das Bundesamt für Energie, untersucht das ESC gemeinsam mit weiteren Forschungsinstitutionen diese Themen. Interdisziplin?re Teams modellieren künftige Energie- und Stromsysteme und testen zusammen mit Industriepartnern L?sungen in Pilotprojekten.
Welche Entwicklung am ESC freut Sie pers?nlich am meisten?
Mich freut besonders, dass wir die interdisziplin?re Zusammenarbeit, die innerhalb der ETH schon sehr erfolgreich war, auf die Industrie ausweiten konnten. Ein sch?nes Beispiel dafür sind die Fallstudien im Masterstudiengang ?Energy Science and Technology?. Wir haben zu Beginn Unternehmen gefragt, ob sie Themen h?tten, die Studierende bearbeiten k?nnten. Zun?chst wussten wir nicht, ob das auf Interesse stossen würde.
Heute ist das Gegenteil der Fall: Die Industriepartner stehen Schlange. Für die Studierenden ist das eine wertvolle Gelegenheit, reale Fragestellungen zu bearbeiten und Kontakte zu knüpfen. Und für die Unternehmen ist es spannend, neue Perspektiven kennenzulernen und m?gliche Forschungsprojekte anzustossen.
Welche Rolle spielt die kommende Energy Week für das ESC?
Die Energy Week ist unsere Plattform, um Einblicke in die Energieforschung an der ETH Zürich zu geben – für die ?ffentlichkeit, für Fachpersonen und für Studierende. Dabei ist es uns wichtig, das zum Teil sehr abstrakte technische Thema Energie anschaulich und greifbar zu machen. Dieses Jahr feiern wir zudem im Rahmen der Energy Week auch das 20-Jahr-Jubil?um des ESC.
In der Haupthalle der ETH zeigen wir mit einer visuell ansprechenden Ausstellung, wie ein komplexes Stromsystem funktioniert. Für mich pers?nlich ist die Energy Week auch ein Teamerlebnis. Zu sehen, wie viel wir gemeinsam auf die Beine stellen k?nnen, ist jedes Mal ein Highlight.
Und wo soll das ESC in zehn Jahren stehen?
Ich wünsche mir, dass wir unsere Rolle als unabh?ngige Plattform und Vermittlerin weiter st?rken k?nnen – sowohl innerhalb der ETH als auch in Richtung Politik, Gesellschaft und Industrie. Wichtig ist, dass wir echten Mehrwert bieten. Und zwar nicht nur national, sondern zunehmend auch in internationalen Netzwerken.
Energy Week 2025: Die Energiezukunft gemeinsam verantworten
Wie gestalten wir die Energieversorgung von morgen? Die Energy Week @ ETH 2025 widmet sich den dr?ngenden Fragen rund um die Energiewende und zeigt, dass deren Umsetzung nicht nur eine technologische Herausforderung ist, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
10.–14. November 2025
ETH Zürich, Hauptgeb?ude
Programm und Anmeldung zur Energy Week 2025
Die Ausstellung ?Zeit der Energie? in der Haupthalle ist die ganze Woche ohne Anmeldung zug?nglich und l?dt dazu ein, die Zukunft der Schweizer Energiewelt zu entdecken. Zehn digitale Uhren zeigen, wie Strom fliesst, W?rme gespeichert wird, H?user versorgt, Fahrzeuge geladen und Produktion und Verbrauch in Einklang gebracht werden.
Das Energy Science Center (ESC) der ETH Zürich ist ein interdisziplin?res Kompetenzzentrum, das die Energie-Forschung und -Lehre an der Hochschule f?rdert. Ziel des Zentrums ist es, die Entwicklung eines nachhaltigen Energiesystems voranzutreiben, das umweltvertr?glich, zuverl?ssig, risikoarm, wirtschaftlich tragbar und gesellschaftlich akzeptiert ist.
Das ESC vernetzt über fünfzig Professorinnen und Professoren aus neun 365体育官网_365体育备用【手机在线】n und st?rkt so die Zusammenarbeit der ETH mit Industrie, Politik und Gesellschaft zu energierelevanten Fragen.