Abklärungen abgeschlossen
Die Abkl?rungen zu Vorwürfen von mutmasslichem Fehlverhalten und Compliance-Verst?ssen eines ETH-Assistenzprofessors sind abgeschlossen. Welche Lehren zieht die ETH Zürich aus diesem Fall? Julia Dannath, Vizepr?sidentin für Personalentwicklung und Leadership, und Stefan Spiegel, Vizepr?sident für Finanzen und Controlling, nehmen Stellung.
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Nachdem an mehreren ETH-internen Stellen Meldungen zu mutmasslichem Fehlverhalten eines Assistenzprofessors eingegangen waren, hat die ETH Zürich im August 2024 vertiefte Abkl?rungen veranlasst, um diesen Vorwürfen nachzugehen. Die Hochschule wurde dabei durch eine Anwaltskanzlei unterstützt. Die Abkl?rungen sind mit dem nun Download publizierten geschw?rzten Bericht (PDF, 27.6 MB) abgeschlossen. Der Assistenzprofessor wird die ETH Zürich nach Ablauf seiner befristeten Anstellung Ende September 2025 verlassen.
Hat der Bericht die gewünschte Klarheit gebracht, die Sie sich von den Abkl?rungen versprochen haben?
Julia Dannath: Ja. Auch wenn einzelne Vorwürfe nicht abschliessend gekl?rt werden konnten, best?tigen unsere Abkl?rungen, dass der betroffene Assistenzprofessor die professionelle Distanz gegenüber Studierenden, Doktorierenden und Mitarbeitenden nicht ausreichend wahrte. Das hat der Assistenzprofessor selbst einger?umt, auch wenn er den Vorwürfen sonst gr?sstenteils widerspricht. Leider ist es h?ufig so, dass es für Dritte, die in den Situationen nicht dabei waren, schwierig ist, Vorwürfe zu unangemessenem Verhalten abschliessend zu beurteilen. Das ist auch in diesem Fall so, weil die Beschreibungen der Vorf?lle und die Wahrnehmungen dazu stark divergieren.
Stefan Spiegel: Bei den Meldungen im Compliance-Bereich ging es vor allem um mutmasslich missbr?uchliche Verwendung von Geldern, um m?gliche Abweichungen von geltenden Regeln bei Vertr?gen mit externen Beratern sowie um mutmassliche Interessenskonflikte in Zusammenhang mit einem ETH-Spin-off. Die Abkl?rungen haben eine Reihe von problematischen Aspekten aufgezeigt. Der Assistenzprofessor hat sich mehrfach nicht an die internen Regeln gehalten, und sein Umgang mit Interessenskonflikten war ungenügend. Dass Gelder missbr?uchlich verwendet wurden, hat sich mit den Abkl?rungen nicht erh?rtet. In den Gespr?chen mit uns konnte er auch glaubwürdig vermitteln, dass er stets zum Wohl seiner Forschung und seiner Gruppe handeln wollte.
Was wird denn von einem Assistenzprofessor oder einer Assistenzprofessorin erwartet, damit er oder sie eine Festanstellung an der ETH Zürich erh?lt?
Stefan Spiegel: Eine unbefristete Professur an der ETH zu bekommen, bedeutet eine permanente Anstellung, finanziert prim?r aus Schweizer Steuergeldern. Eine solche Position ist – zurecht – mit grosser Freiheit verbunden, gleichzeitig aber auch mit grosser Verantwortung. Als Assistenzprofessor:in durchl?uft man eine mehrj?hrige Entwicklungsphase, an deren Ende eine Festanstellung erfolgen kann oder nicht. In den Tenure-Entscheid, der beim Pr?sidenten der ETH Zürich liegt, fliessen die Eindrücke zu Leistungen und Kompetenzen in allen Aspekten w?hrend der gesamten Anstellungsdauer ein.
Julia Dannath: Die ETH Zürich gew?hrt ihren Professor:innen gr?sstm?gliche akademische Freiheit und erwartet daher von ihnen verantwortungsbewusstes und regelkonformes Handeln. Im aktuellen Fall zeigte der Assistenzprofessor für den Pr?sidenten in der Summe ein Verhalten und eine Einstellung, die nicht zur Kultur der ETH Zürich passen. Das war für ihn schon im Dezember 2024 klar, also vor Abschluss der Abkl?rungen.

Müssen Assistenzprofessor:innen Angst haben, dass jeder Regelverstoss dazu führt, dass sie keine Festanstellung erhalten?
Stefan Spiegel: Wenn jemand eine Gruppe neu aufbaut, kann es zu unbeabsichtigten Compliance-Verst?ssen kommen. Niemand ist vor Fehlern gefeit, und wir unterstützen gerade neue Professor:innen in der Anfangsphase intensiv. Aber es macht natürlich schon einen Unterschied, ob sich jemand mit den Regeln vertraut macht und versucht, diese einzuhalten, oder ob sie ignoriert oder sogar Wege gesucht werden, diese zu umgehen.
Julia Dannath: Das gilt genauso für das Leadership-Verhalten von neuen Professor:innen. Wir erwarten nicht, dass man gleich von Anfang an die perfekte Führungsperson ist. Jeder und jede von uns, der oder die Menschen führt, weiss, dass man auch diese Kunst lernen muss. Von allen unseren Führungspersonen erwarten wir aber, dass sie die Unterstützung, die wir unter anderem in Form des ?Leadership for Faculty?-Programms anbieten, annehmen und umsetzen. Wir versuchen, an der ETH generell eine gesunde Fehlerkultur zu pflegen, d.h. es kann passieren, dass man mal einen Fehler macht. Das Entscheidende ist, dass man daraus lernt und entsprechend Massnahmen trifft, dass sich dies nicht wiederholt.
Herr Spiegel, welche Lehren ziehen Sie aus diesem Fall?
Stefan Spiegel: Die Freiheit, die wir unseren Professor:innen einr?umen, die Vertrauens- und die Erm?glichungskultur der ETH Zürich sind ein wichtiger Erfolgsfaktor unserer Hochschule. Dies setzt aber Eigenverantwortung voraus. Ich sehe im Alltag, dass die grosse Mehrheit unserer Angeh?rigen mit diesen Freir?umen verantwortungsbewusst umgeht. Der Fall hier zeigt, dass unsere dezentrale Struktur es gleichzeitig nicht einfach macht, Abweichungen frühzeitig zu bemerken. Wir analysieren nun unsere Prozesse und werden bei deren Weiterentwicklung den Fokus darauf richten, wie wir unsere Professor:innen frühzeitig und effektiver unterstützen und begleiten k?nnen.
Heisst das, dass die ETH sch?rfere Kontrollen im Finanzbereich einführen wird?
Stefan Spiegel: Sicher werden wir nicht überregulieren. Wer aber heute beispielsweise E-Banking benutzt, ist dankbar, wenn er einen Anruf seiner Bank erh?lt, weil diese ungew?hnliche Transaktionen festgestellt hat und deren Korrektheit überprüft. Im Moment sind wir daran, die Strukturen und Systeme meines Schulleitungsbereichs in diese Richtung zu überarbeiten, damit wir frühzeitig und gezielt in der Lage sind, auf die Budgetverantwortlichen zuzugehen. Wir betrachten hier natürlich nicht nur die Professuren, sondern auch die Verwaltung.
Und welche Lehren zieht Ihr Bereich, Julia Dannath?
Julia Dannath: Für mich ist klar, dass wir unseren Umgang mit Meldungen weiter verbessern werden. Wir haben in den vergangenen Jahren schon viel getan. Letzten Sommer ist das revidierte Reglement für Meldungen über unangemessenes Verhalten und Arbeitsplatzkonflikte in Kraft getreten. Zudem haben wir seit l?ngerem die Meldestelle für sexuelle Bel?stigungen und Diskriminierung extern angesiedelt. Damit soll die Hemmschwelle für Betroffene tiefer werden und Meldungen m?glichst früh eintreffen. Wir sind im Moment ausserdem daran, eine M?glichkeit zu schaffen, um auch bei anonymen Meldungen mit geeigneten Massnahmen reagieren zu k?nnen.
Wenn Sie auf die letzten Monate zurückblicken: Was ist Ihr abschliessendes Fazit aus diesem Fall?
Stefan Spiegel: Für mich zeigt der Fall, wie wichtig es ist, überall an der ETH – sei es in Forschungsgruppen, Verwaltungseinheiten oder in Projekten – über wirksame Strukturen zu verfügen, die einen angemessenen Umgang mit den Regeln und mit Interessenskonflikten sicherstellen. Das vereinfacht Forschenden das Leben, weil sie sich dadurch auf ihr Kerngebiet fokussieren k?nnen. Und es st?rkt auch die Zusammenarbeit mit den Fachexpert:innen der Zentralen Organe.
Julia Dannath: Wir geben allen unseren Professor:innen, auch denjenigen in einem frühen Stadium ihrer Karriere, viele Freiheiten und eine grosse Verantwortung. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Gleichzeitig verlangen wir einen bewussten Umgang mit Leadership-Fragen und die Bereitschaft, sich auch pers?nlich st?ndig weiterzuentwickeln. Es ist essenziell, dass wissenschaftliche Exzellenz ein Eckpfeiler der ETH Zürich bleibt. Sie darf jedoch niemals Vorrang haben vor respektvollem Verhalten und der Einhaltung unserer Regeln.
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