Links- oder rechtshändig? Nanostrukturen mit Licht entlarvt
Wie unterscheiden sich links- und rechth?ndige Moleküle? Forschende der ETH Zürich machen mit einer neuen bildgebenden Methode sichtbar, was bisher nur als Durchschnitt messbar war, und schaffen neue M?glichkeiten für Biologie und Materialwissenschaft.
- Vorlesen
- Anzahl der Kommentare

In Kürze
- Viele Moleküle zum Beispiel in Medikamenten oder Lebensmitteln sind chiral. Sie kommen als Bild und Spiegelbild vor: linksh?ndig und rechtsh?ndig.
- Forschende der ETH Zürich haben eine Methode entwickelt, mit der sie die H?ndigkeit von Nanostrukturen r?umlich effizienter darstellen k?nnen als mit herk?mmlichen Verfahren.
- Die Technik nutzt zirkul?r polarisiertes Licht und macht Unterschiede zwischen links- und rechtsh?ndigen Strukturen farblich sichtbar.
- Die Methode k?nnte künftig helfen, biologische Proben, Materialien oder Wirkstoffe gezielter zu analysieren und zu verstehen.
Warum riechen Pfefferminze und Kümmel so unterschiedlich, obwohl ihre Hauptduftstoffe fast identisch sind? Warum kann ein Medikament Leben retten, w?hrend sein Spiegelbild wirkungslos oder sogar sch?dlich ist? Die Antwort liegt in der Chiralit?t, der ?H?ndigkeit? von Molekülen. So wie sich die linke und rechte Hand gleichen, aber nicht deckungsgleich übereinanderliegen k?nnen, gibt es von vielen Molekülen eine linke und eine rechte Version. Und diese wirken oft v?llig unterschiedlich.
Ein Forschungsteam der ETH Zürich um Romain Quidant, Professor für Nanophotonik, hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Chiralit?t mit nur einem einzigen Bild r?umlich sichtbar machen l?sst. Bisher liess sich Chiralit?t meist nur über die gesamte Probe hinweg messen und das Ergebnis war jeweils ein Durchschnittswert.
?Mit der neuen Methode k?nnen wir erkennen, in welchen Bereichen unserer Probe links- respektive rechtsh?ndige Strukturen auftreten, und dies in einem einzigen Bild?, erkl?rt Rebecca Büchner, Doktorandin bei Quidant und Erstautorin der in der Fachzeitschrift ?Nature Photonics? erschienenen externe Seite Studie.
Licht als Schlüssel zur H?ndigkeit
Für die Studie verwendete Rebecca Büchner eigens hergestellte Nanostrukturen aus Gold – also künstlich erzeugte chirale Proben –, die von Jose García-Guirado, dem Labormanager in Quidants Gruppe, gefertigt wurden. Büchner wusste daher genau, wie viele links- und rechtsh?ndige Anteile im Bild zu erwarten waren. Um die Chiralit?t dieser Proben sichtbar zu machen, setzte sie eine neu entwickelte bildgebende Methode ein, die wie eine hochspezialisierte Kamera funktioniert. Das Besondere daran ist ihre F?higkeit, zu erfassen, wie die Probe mit unterschiedlichen Formen von zirkular polarisiertem Licht wechselwirkt.
Zirkular polarisiertes Licht ist eine Form von Licht, bei der sich die Wellen spiralf?rmig nach links oder rechts drehen, w?hrend sie sich fortbewegen. Viele chirale Moleküle in der Natur reagieren unterschiedlich auf diese Lichtarten: Sie absorbieren beispielsweise linksgedrehtes Licht st?rker als rechtsgedrehtes oder drehen dessen Schwingungsrichtung leicht.
Im Gegensatz zu herk?mmlichen Verfahren, die zwei getrennte Messungen mit links- und rechtszirkular polarisiertem Licht ben?tigen, erfasst Büchners Methode beide Drehrichtungen gleichzeitig. M?glich wird dies durch einen raffinierten optischen Aufbau: Nachdem das Licht die Probe durchlaufen hat, wird es mithilfe von Referenzstrahlen in seine links- und rechtsh?ndigen Komponenten aufgespalten. Dabei entstehen ?berlagerungsmuster, die sichtbar machen, wie jede Lichtart mit der Probe interagiert hat – und so die Chiralit?t abbilden.
Eine normale Kamera würde aus dieser ?berlagerung nur ein unlesbares Bild aufnehmen. Doch dank der neuen Methode liest ein Computer die Informationen pr?zise aus. Das Ergebnis sind farbige Karten, die zeigen, welche Teile der Probe links- oder rechtsh?ndig sind. ?Wir konnten sogar Buchstaben wie ?L? und ?R? sichtbar machen, die aus unterschiedlich h?ndigen Nanostrukturen aufgebaut waren?, berichtet Büchner.

Chancen für die Biologie und Materialwissenschaft
?Das gr?sste Potenzial unserer Methode sehe ich überall dort, wo Chiralit?t r?umlich variiert – und das bisher kaum messbar war?, sagt Jaime Ortega Arroyo, Senior Scientist und Mitbetreuer des Projekts. Besonders in der Materialwissenschaft sei das ein bekanntes Problem: Chirale Materialien lassen sich schwer r?umlich aufl?sen, etwa wenn unterschiedliche Zonen in einem Werkstoff jeweils eine andere H?ndigkeit aufweisen. Die neue Methode erlaubt es nun, diese Unterschiede direkt sichtbar zu machen.
Für biologische Proben sehen die Forschenden ebenso Potenzial. So k?nnten etwa gesunde und kranke Gewebe nicht nur in ihrer Zellstruktur, sondern auch in ihrer Chiralit?t voneinander abweichen. Mit dem bildgebenden Ansatz w?re es m?glich, solche Unterschiede direkt im Gewebe zu erkennen, ohne F?rbung oder mechanischen Eingriff. ?Das gilt nicht nur für Moleküle, sondern auch für gr?ssere Strukturen wie Teile von Zellen, deren Chiralit?t bislang kaum untersucht werden konnte?, führt Büchner aus.
Auch in der Pharmazie sind Anwendungen denkbar: Viele Medikamente bestehen aus chiralen Molekülen, von denen nur eine Variante wirksam ist. Eine Methode, die die H?ndigkeit in der Fl?che aufl?st, k?nnte helfen, komplexe Gemische besser zu analysieren, oder neue Diagnoseverfahren zu entwickeln.
Im Labor den Feinschliff machen
Noch befindet sich die neue bildgebende Methode im Forschungsstadium. Die gemessenen Signale sind bisher eher niedrig und st?ranf?llig. ?Unsere gr?sste Herausforderung war es, das Rauschen im Bild und andere st?rende Effekte so weit zu senken, dass wir sicher sein konnten, dass die Signale tats?chlich von der Chiralit?t stammen?, sagt Ortega Arroyo.
In einem n?chsten Schritt m?chten die Forschenden das System empfindlicher machen. Bis zur Anwendung in der realen Welt sind die Forschenden noch weit entfernt. Vorerst geht es vielmehr darum, geeignete Anwendungen zu identifizieren und die Methode dafür anzupassen. ?Wir wissen, was unsere Plattform leisten kann, aber andere Forschende wissen viel besser, welche weiteren Anwendungsf?lle man damit am besten untersuchen k?nnte?, sagt Büchner.
Literaturhinweis
Büchner R, Garcia-Guirado J, Ortega Arroyo J, Quidant R. Wide-field spectroscopic imaging of optical activity. Nature Photonics, July 2025. DOI: externe Seite 10.1038/s41566-025-01722-0.