
Medikamente mit zehntausenden winzigen Tropfen auf einer kleinen Glasplatte entwickeln
Eine Glasplatte, ein feines R?hrchen und ein ?lbad genügen: Mit einer neuen Methode erzeugen Forschende der ETH Zürich zehntausende winzige Tropfen innert Minuten. Damit testen sie Enzyme und Wirkstoffe schneller, pr?ziser und ressourcenschonender als bisher.?
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In Kürze
ETH-Forschende haben eine Methode entwickelt, mit der sie bis zu 100’000 winzige Tropfen pr?zise auf einer pr?parierten Glasplatte platzieren und für biochemische Tests nutzen.
Das Verfahren spart Zeit, Chemikalien und Plastikabfall – und erm?glicht frei kombinierbare Experimente im Miniaturformat, etwa zur Analyse von Enzymreaktionen.
Die ETH Zürich hat die Methode patentieren lassen und für den diesj?hrigen Spark Award nominiert; ein Spin-off ist in Vorbereitung.
Was passiert, wenn ein Enzym auf einen m?glichen Wirkstoff trifft, der das Enzym hemmen oder aktivieren soll? Genau darum geht es in der Medikamentenentwicklung. Die Wechselwirkung eines Enzyms mit einem Wirkstoffmolekül ist aber ?usserst aufwendig zu analysieren. Die Forschungsgruppe von Petra Dittrich, Professorin für Bioanalytik an der ETH Zürich, hat deshalb ein Verfahren entwickelt, das solche Tests radikal vereinfacht: Mit ihrer Methode lassen sich auf einer Glasplatte bis zu 100'000 winzige Tropfen mit Enzymen und Substraten erzeugen – in nur 40 Minuten und ohne Pipette.
Bisher nutzten die meisten Forschenden für solche Analysen sogenannte Mikrotiterplatten, standardisierte Kunststoffplatten von der Gr?sse einer Hand mit bis zu rund 1500 kleinen Vertiefungen. Jede davon ist quasi ein Mini-Reagenzglas, das mit Pipetten befüllt wird. Die neue Methode der ETH-Forschenden ist effizienter, ressourcenschonenderen und flexibler.
Tropfen landen punktgenau
Herzstück der Methode ist eine beschichtete Glasplatte, die etwa so gross wie ein Objekttr?ger für ein Mikroskop ist: rund zwei auf sieben Zentimeter. Ihre Oberfl?che ist mit einer wasserabweisenden Schicht überzogen, die an bis zu 100'000 Punkten freigelegt wurde: winzige wasserliebende (hydrophile) Landepl?tze für Tropfen. Die Testl?sung wird durch ein feines R?hrchen auf die Glasplatte geleitet, die sich unter pr?ziser Steuerung bewegt. Sobald die Flüssigkeit einen hydrophilen Punkt erreicht, trennt sich ein winziger Tropfen ab und bleibt genau dort haften. Die Tropfen sind winzig: Ihr Durchmesser liegt je nach Gr?sse der Glasplatte zwischen 50 und 250 Mikrometern – dünner als ein Haar und mit blossem Auge kaum zu erkennen.
Damit die Tropfen stabil bleiben, liegt die ganze Glasplatte in einem flachen ?lbad. Das ?l verhindert, dass die winzigen Flüssigkeitsmengen verdampfen, auch nicht bei Experimenten, die über Tage laufen. Zugleich schützt das ?l vor Verunreinigungen. Nach dem Versuch kann das ?l sogar aufgefangen, gereinigt und erneut verwendet werden.

Die gesamte Tropfenproduktion erfolgt automatisiert in einem kompakten Ger?t so gross wie ein Mikroskop, das zus?tzlich auch mikroskopieren, Zellen kultivieren und automatisch die Proben wechseln kann. ?Früher brauchte man eine halbe Stunde, um alles richtig einzustellen?, sagt Breitfeld. ?Heute reicht dank unserer Automatisierung ein Knopfdruck, und das Experiment kann starten?, sagt Maximilian Breitfeld, Wissenschaftler in der Forschungsgruppe von Dittrich. Durch die Kombination aus pr?ziser Steuerung und physikalischem ?l-Schutz l?sst sich die Zusammensetzung der Tropfen gezielt variieren – mal mit mehr, mal mit weniger Wirkstoff. So entstehen feine Konzentrationsverl?ufe. Forschende k?nnen darin zum Beispiel Enzyme über l?ngere Zeit beobachten oder den Effekt der Wirkstoffe auf Zellen in hochparallelisierten Tests untersuchen. Analysiert werden die Tropfen anschliessend entweder mit Fluoreszenzmikroskopie oder mit Massenspektrometrie. So lassen sich etwa Enzymreaktionen exakt verfolgen.
Wenn Stunden zu Minuten werden
Die Grundidee stammt aus früheren Arbeiten der Gruppe, in denen sie bereits Tropfen für Screening-Anwendungen erzeugten. ?Wir wussten, wie die Technologie prinzipiell funktioniert, aber sie war zu langsam, um in der Praxis konkurrenzf?hig zu sein?, sagt Dittrich. Den entscheidenden Schritt machten die damaligen Doktoranden Maximilian Breitfeld und Claudius Dietsche: Ihr neu entwickeltes Verfahren beschleunigt nicht nur die Tropfenerzeugung massiv, sondern automatisiert auch den gesamten Ablauf.
Die ETH liess das Verfahren nicht nur patentieren, sondern nominierte es auch als Finalist für den diesj?hrigen Spark Award.
Eine grosse Datenmenge bew?ltigen
Die enorme Leistungsf?higkeit der Methode bringt auch eine neue Herausforderung mit sich. ?Wir erzeugen eine riesige Menge an Daten?, sagt Dittrich. ?Das ist manuell gar nicht mehr auszuwerten – dafür brauchen wir Softwarel?sungen, die uns helfen, die Informationen sinnvoll zu analysieren.?
W?hrend die Datenmengen rasant anwachsen, bleibt der Ressourcenverbrauch erstaunlich gering: Pro Experiment k?nnen bis zu fünf Kilogramm nicht recycelbaren Plastik gespart werden, das eingesetzte ?l l?sst sich auffangen, und der Chemikalienverbrauch ist im Vergleich zu herk?mmlichen Methoden drastisch reduziert. Ein ganzer Experimentdurchlauf ben?tigt statt Litern an Reaktionsmedium nur noch Mikroliter.
Dennoch hat die Methode klare Grenzen. Die winzigen Tropfen eignen sich perfekt für schnelle Reaktionen in kleinen Volumina, wie sie in der Mikrofluidik üblich sind. Für gr?ssere Flüssigkeitsmengen oder Gewebekulturen, die über mehrere Wochen wachsen, ist die neue Methode nicht geeignet.
Von der Forschung zur Ausgründung
Die Forschenden planen nun ein Spin-off, um die Methode zur Marktreife zu bringen. Verkauft werden soll ein Komplettsystem bestehend aus Glasplatten, Ger?t und Software – und optional auch gleich darauf basierende biologische Tests.
?Für mich ist entscheidend, dass das System wirklich zuverl?ssig und einfach zu bedienen wird?, sagt Dietsche. ?Nur wenn wir die Benutzerfreundlichkeit garantieren k?nnen, kann es auch ausserhalb unseres Forschungslabors eingesetzt werden.? Die Nachfrage sei bereits spürbar, berichten die Forschenden, und die Nominierung für den Spark Award gibt ihnen zus?tzlichen Rückenwind für die geplante Ausgründung.
Spark Award 2025 – diese Projekte sind im Final
Am 27. November 2025 verleiht die ETH Zürich am ETH Zürich @ Open-i zum 14. Mal den Spark Award für die beste Erfindung des Jahres. Die Kriterien dafür sind Originalit?t, Patentst?rke und Marktpotenzial. Zu den fünf Finalisten geh?ren neben der hier vorgestellten Methode vier weitere Projekte.
Projekt 4: Recycling organischer Schadstoffe
Hier finden Sie die Spark Award Siegerprojekte der Jahre 2012–2024.
Spark Award Zeremonie, Industry Day @ Open-I, Donnerstag, 27. November 2025, 13.30 Uhr, Kongresshaus Zürich. Eine Anmeldung ist erforderlich.
Literaturhinweis
Breitfeld M, Dietsche CL, Saucedo-Espinosa MA, Berlanda SF, Dittrich PS: Ultrafast formation of microdroplet arrays with chemical gradients for label-free determination of enzymatic reaction kinetics. Small 2025, doi: externe Seite 10.1002/smll.202410275.